Biographische Angaben aus dem Handbuch "Wer war wer in der DDR?":

Geb. in Oberlößnitz; Vater Arbeiter; Volksschule; Kellner, Hotelangest.; 1911 Gewerkschaft; 1914 – 18 Militärdienst; verhaftet u. sechs Mon. Haft wegen Flugblattverteilens; 1918 USPD; 1919 – 22 Gewerkschaftssekr. im Zentralverb. der Hotel- u. Restaurantangest.; Dez. 1920 KPD; 1920 – 22 Angest. bei Freien Gewerkschaften; 1923/24 Sekr. des KPD-Bez. Westsachsen; 1924 – 32 Abg. des Preuß. Landtags; 1926 koopt., 1927 – 45 Mitgl. des ZK der KPD u. seines PB; Sekr. u. Ltr. der Gewerkschaftsabt. (RGO) des ZK bis April 1930, wegen »linker« Abweichungen abgesetzt; März 1931 – Mai 1933 Berater der RGI in den USA (»Max Fischer«); Sommer 1933 nach Moskau, dort stellv. Ltr. der angloamerikan. Abt. der RGI; ab März 1934 als Mitgl. des RGO-Reichskomitees illeg. in Dtl. tätig; 1934/35 Mitgl. der illeg. KPD-LL Berlin (Nachf. von  Philipp Daub) (»Roland«, »Fuchs«); März 1935 durch RGI Abberufung nach Moskau, Gastdeleg. am 7. Weltkongreß der KI; er galt neben  Paul Bertz,  Walter Ulbricht u. Herbert Wehner als einer der Hauptkritiker der damaligen KPD-Pol.; Emigr. nach Frankreich; Febr. 1937 Mitgl. des Sekr. des ZK der KPD-Auslandsltg. in Paris; 1940 – 42 in Frankreich interniert (Le Vernet, Les Milles), Flucht; Juni 1942 mit Hilfe Noel Fields Emigr. nach Mexiko; Sekr. des Lateinamerik. Komitees der Freien Deutschen u. Hrsg. der gleichn. Ztg.
Juli 1946 Rückkehr nach Dtl.; 1946 – 49 Mitgl. des PV der SED u. seines ZS, 1949/50 Mitgl. des PB des ZK der SED; 1946 – 50 Abg. des Landtags Brandenb.; März 1948 – Aug. 1950 Mitgl. des Volksrats; 1949/50 Staatssekr. im Min. für Land- u. Forstw.; 1948 – 50 Abg. der (Prov.) Volkskammer; Aug. 1950 SED-Ausschl. wegen enger Verbindung zu dem angebl. amerik. Agenten Noel H. Field während der Emigr., der ihm 1942 bei der Flucht geholfen hatte; 1950 – 52 Ltr. einer HO-Gaststätte in Luckenwalde; im Kontext des Slánský-Prozesses in Prag Nov. 1952 verhaftet, Haft im MfS-Untersuchungsgefängnis in Berlin-Hohenschönhausen; März 1955 in einem Geheimprozeß zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt, Jan. 1956 Haftentlassung; Juli 1956 vom selben Gericht u. Richter unter Ausschl. der Öffentlichkeit freigesprochen, rehabil.; 1957 Lektor im Verlag Volk u. Welt; 1969 VVO; in den letzten Lebensjahren Vors. des Krs.-Vorst. der DSF Königs Wusterhausen; er verstarb psychisch u. physisch gebrochen in Berlin.

Publ.
Dtl. Sein oder Nichtsein. 2 Bde. Mexiko 1944/45 (Nachdr. 1972, 1973); Die nächsten Schritte zur Lösung des Umsiedlerproblems. Berlin 1947; Das kleine Handbuch für Heimkehrer. Berlin 1948; Sozialdemokratie u. Gewerkschaften. Berlin 1949.
Sek.-Lit.
Kießling, W.: P. M. u. der »Soz. der dummen Kerls«. In: Keßler, M.: Antisemitismus u. Arbeiterbew. Berlin 1996; ders.: Partner im »Narrenparadies«. Der Freundeskrs. um N. Field u. P. M. Berlin 1994; Herf, J.: Antisemitismus in der SED. Geheime Dokumente zum Fall P. M. aus SED- u. MfS-Archiven. In: VfZG (1994) 42; Kießling, W.: P. M. in den Fängen der Sicherheitsorgane Stalins u. Ulbrichts. Berlin 1995; ders.: In den Mühlen der großen Pol.: H. Mann, P. M. u. die SED. Berlin 1996f; Barth, B.-R., Schweizer, W. (Hrsg.): Der Fall Noel Field. Berlin 2005 u. 2007.

Biographische Angaben aus dem Handbuch der Deutschen Kommunisten:

Als Sohn eines Fabrikarbeiters am 1. Februar 1894 in Oberlößnitz bei Dresden geboren; lernte Kellner. In verschiedenen Hotels angestellt, mit 17 Jahren trat er einem »gelben« Gewerkschaftsverband bei. Während des Krieges als Soldat an der Front, wegen Verbreitung von revolutionären Flugblättern sechs Monate in Haft. Bis 1918 war Merker politisch nicht organisiert, trat dann in Dresden der USPD bei, Delegierter des Spaltungsparteitages, 1920 mit der linken USPD Übertritt zur KPD. Von 1920 bis 1922 Angestellter der Freien Gewerkschaften in Berlin. 1923/24 hauptamtlicher Sekretär der KPD in Halle-Merseburg und 1923 militärischer Leiter in Mansfeld.
Merker schloß sich der linken Ruth-Fischer-Führung an und zog 1924 als Abgeordneter in den Preußischen Landtag ein, dem er bis 1932 angehörte. 1924 Mitarbeiter der Gewerkschaftsabteilung der Zentrale. 1926 ins ZK und Polbüro kooptiert, auch vom XI. Parteitag 1927 wieder ins ZK und Polbüro gewählt. Nach der Wittorf-Affäre gehörte Merker zu den maßgebenden Führern der KPD. Auf dem XII. Parteitag 1929 erneut ins ZK und Polbüro gewählt, war Merker auch Leiter der RGO sowie seit Herbst 1929 Sekretär des ZK. Im April 1930 überraschend wegen »linker Abweichungen« und Fraktionsarbeit aus dem Polbüro und ZK entfernt. Er wurde als Sündenbock für die ultralinken Überspitzungen der KPD-Politik geopfert, doch wurde die ultralinke Politik insgesamt auch nach seiner Absetzung weitergeführt. Merker erhielt zweitrangige Funktionen, 1931 in den Vorstand der IAH gewählt, anschließend ganz aus der Arbeit der KPD abberufen. Der Komintern zur Verfügung gestellt, war er von März 1931 bis Mai 1933 zusammen mit Gerhart Eisler unter dem Decknamen Max Fischer als Komintern-Beauftragter bei der KP in den USA.
Im Sommer 1933 reiste er nach Leningrad und kehrte Anfang 1934 zur illegalen Arbeit nach Deutschland zurück. Hier gehörte er 1934/35 als Nachfolger von Philipp Daub der illegalen Landesleitung an. Von der Pariser Emigration aus organisierte er die Gewerkschaftsarbeit der KPD in Deutschland. Paul Merker galt neben Paul Bertz, Walter Ulbricht und Herbert Wehner als einer der Hauptkritiker der damaligen ultralinken KPD-Politik. Nach deren Ende 1935 auf der »Brüsseler Konferenz« und erneut auf der »Berner Konferenz« 1939 wieder ins ZK und Politbüro der KPD gewählt, nahm er in Frankreich als KPD-Vertreter an den Gesprächen über eine deutsche Volksfront teil. Sowohl sozialdemokratische als auch bürgerliche Hitler-Gegner wie Heinrich Mann waren von Merkers Toleranz angetan, die sie bei dem dogmatischen Ulbricht vermißten. Bei Kriegsausbruch in Frankreich interniert, kam er ins Lager Vernet, aus dem er 1940 flüchtete. Er ging nach Marseille, wurde erneut verhaftet, konnte 1942 entkommen und nach Mexiko ausreisen.
In Mexiko war Merker Generalsekretär der Bewegung Freies Deutschland für Lateinamerika, Herausgeber der Zeitung gleichen Namens und veröffentlichte die Bücher »Von Weimar zu Hitler« sowie »Der Nazismus und sein Ende«. Im Mai 1946 von Mexiko über die Sowjetunion nach Deutschland zurückgekehrt, wurde er in den Parteivorstand und das ZS der SED gewählt, bei Bildung des Politbüros auch in dieses oberste Führungsgremium. 1949 erschien sein Buch »Sozialdemokratie und Gewerkschaften 1890 bis 1920« im SED-eigenen Dietz Verlag. 1949/50 Staatssekretär im Ministerium für Land- und Forstwirtschaft der ersten DDR-Regierung. Merker war der prominenteste SED-Führer, der im August 1950 wegen »Verbindung zu Field« als »Werkzeug des Klassenfeindes« aus der SED ausgeschlossen wurde. »Die am engsten mit Field verbundenen Paul Merker, Leo Bauer, Bruno Goldhammer, Willy Kreikemeyer, Lex Ende und Maria Weiterer haben dem Klassenfeind in umfangreicher Weise Hilfe geleistet und werden aus der Partei ausgeschlossen«, hieß es in der Entschließung des ZK der SED vom 24. August 1950. Merker wurde degradiert und mußte als Leiter einer HO-Gaststätte in Luckenwalde arbeiten.
Nach dem Slánsk´y-Prozeß in der Tschechoslowakei wurde Merker am 20. Dezember 1952 als »feindlicher Agent« verhaftet und in einer Erklärung des SED-ZK vom 14. Mai 1953 als »Agent«, als »Kapitulant« und »Verräter« bezeichnet. Dann sowohl durch das MfS als auch den sowjetischen Geheimdienst verhört. Merker wurde im März 1955 vor dem 1. Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR angeklagt, am 30.März 1955 zu acht Jahren Haft verurteilt und kam in das Zuchthaus Brandenburg. Am 27.Januar 1956 wurde Merker entlassen, ab Mai 1956 wieder Mitglied der SED. Der offizielle Freispruch erfolgte im Juli 1956 durch den 1.Strafsenat des Obersten Gerichts. Die SED »rehabilitierte« Merker 1956 zwar »juristisch«, aber nicht politisch. 1957 wurde er Lektor im Verlag Volk und Welt, Vorsitzender der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft im Kreis Königs Wusterhausen. Versuche der Harich-Gruppe, ihn 1956/57 für ihre Positionen zu gewinnen, schlugen fehl, obwohl er am 21.November 1956 in der Wohnung Walter Jankas an einer Zusammenkunft der Gruppe teilgenommen hatte. Als gebrochener Mann spielte Merker in der Politik keine Rolle mehr. Erstmals kurz vor seinem Tode noch öffentlich geehrt, er erhielt im Februar 1969 den VVO in Gold. Paul Merker starb, psychisch und physisch vernichtet, am 13. Mai 1969 in Ost-Berlin. In einem Nachruf des ZK der SED wurde auf seine führende Rolle in der KPD und den Anfängen der SED hingewiesen, über Merkers Schicksal von 1950 bis 1956 jedoch Stillschweigen bewahrt. Über Paul Merker veröffentlichte Wolfgang Kießling (†1999) mehrere Arbeiten, u. a. 1994 »Partner im Narrenparadies. Der Freundeskreis um Noel H. Field und Paul Merker«.
Merkers zweite Frau Margarete (* 23. 9. 1903 – †28.7. 1984) war die Tochter des Schuhmachers und späteren SPD- und KPD-Funktionärs Gustav Menzel. Stenotypistin und Buchhalterin, gehörte seit 1921 der KPD an. Bis 1929 Sekretärin in der Gewerkschaftsabteilung des ZK der KPD, folgte sie 1931 ihrem Mann ins Ausland. 1934/35 Mitarbeiterin der illegalen Landesleitung in Berlin, später im Auslandssekretariat des ZK in Prag und Paris. Bis zu ihrer Inhaftierung betreute sie gemeinsam mit Maria Weiterer die Frauen der internierten politischen Funktionäre der KPD in Frankreich. 1941 Emigration nach Mexiko, aktive Mitarbeit in der Bewegung Freies Deutschland. Im Juli 1946 kehrte sie nach Deutschland zurück, zunächst Redakteurin beim SMA-Verlag, dann Referentin des SED-Pressedienstes bzw. der DWK. Anfang Juni 1953 wurde sie aus der SED ausgeschlossen und ihr der Status als VdN aberkannt. 1956 nichtöffentliche Rehabilitierung.

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Redaktionsschluss: Mai 2008. Eine kontinuierliche Aktualisierung der Biographien kann von den Herausgebern nicht gewährleistet werden. Soweit bekannt, werden Sterbedaten in regelmäßigen Abständen nachgetragen. Änderungs- und Korrekturwünsche werden von den Herausgebern des Handbuches geprüft und ggfl. eingearbeitet (Mail an herbst@gdw-berlin.de).

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