Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur richtete sich mit dem Förderprogramm „Lernen für die Demokratie“ im Jahr 2013 an Projektvorhaben der schulischen und außerschulen historisch-politischen Jugendbildung, die besonders dazu geeignet sind, die Erinnerung an Opposition und Widerstand gegen das kommunistische Regime in der Sowjetisch Besetzen Zone und in der DDR sowie den anderen kommunistischen Diktaturen hinter dem Eisernen Vorhang wach zu halten und die aktive Auseinandersetzung mit Fragen von Mut, Zivilcourage und individuellen Handlungsräumen in der Diktatur zu fördern, wie auch die Sensibilität gegenüber Repressionsmechanismen zu stärken.

Der Anlass für das Förderprogramm im Jahr 2013 ist der 60. Jahrestag Volksaufstandes in der DDR vom 17. Juni 1953. Dieses Ereignis ist für die Erinnerungskultur des vereinten Deutschlands von herausragender Bedeutung. Die deutsche Geschichte ist nicht reich an Zeugnissen kollektiven Widerstands gegen Diktatur und autoritäre Herrschaft. Der Aufstand 1953 war der erste Aufstand im kommunistischen Machtbereich nach 1945 und ist somit nicht nur in der Geschichte der deutschen, sondern auch der europäischen Freiheitsgeschichte zu verorten. Damals gingen Hunderttausende Menschen in der DDR auf die Straßen, um gegen das kommunistische Regime zu protestieren. Sie forderten bessere Lebensverhältnisse, freie Wahlen, demokratische Reformen und die deutsche Einheit. Die friedlichen Revolutionen des Jahres 1989, die die kommunistischen Regime überwanden, stehen in einer Traditionslinie mit den Erhebungen in der DDR 1953, Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968 und den polnischen Aufständen und Streikbewegungen der 1970er-und 1980er-Jahre.

Die heutigen Schülergenerationen verfügen über keinerlei persönliche Erinnerung an die Zeit der Teilung und den fundamentalen Systemgegensatz der westdeutschen Demokratie und der ostdeutschen Diktatur nach 1945. Auch im Alltag ihrer Eltern und Großeltern verblasst die Erinnerung daran zunehmend, wenngleich zumindest für Ostdeutschland anzunehmen ist, dass die DDR zumindest teilweise ein Thema im familiären Bereich ist. Angesichts vielfach konstatierter Defizite im Wissen der jungen Generation zur Geschichte der DDR und der deutschen Teilung bedarf es verstärkter Bemühungen auf diesem Themenfeld in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit. Durch die Vermittlung von entsprechendem Wissen in- und außerhalb der Schule gilt es, die jungen Menschen zur Auseinandersetzung mit den Werten von Freiheit und Demokratie anzustoßen. Dies kann insbesondere dann gelingen, wenn den jungen Leuten Möglichkeiten eröffnet werden, sich auf der Folie aktueller politischer Bezüge mit der Zeitgeschichte auseinanderzusetzen. Historisch-politische Bildungsarbeit benötigt Gegenwartsbezüge, die angesichts von Vergleichsmöglichkeiten mit aktuellen Aufständen für Freiheit und Demokratie, wie sie etwa im Jahr 2011 in der arabischen Welt zu beobachten sind, auch nahe liegen. Für die historisch-politische Jugendbildung ist die Auseinandersetzung mit der Gegenwart im zeitgeschichtlichen Kontext eine unerlässliche Voraussetzung, um ihrer Zielgruppe einen Zugang zur Politik, ein eigenverantwortliches historisches und politisches Urteil und die Bereitschaft zur Aktivbürgerschaft zu eröffnen. So kann es gelingen, den Blick auf die Vergangenheit mit den Fragen der Gegenwart sowie den Herausforderungen der Zukunft zu verbinden.

Es ist vorgesehen, auch das Erfahrungswissen von Spätaussiedlern aus Russland, Flüchtlingen aus Ex-Jugoslawien, Vietnam und anderen (post)kommunistischen Staaten sowie Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die häufig selbst aus Gesellschaften kommen, in denen autoritäre Regime oder Diktaturen den Menschen elementare Freiheitsrechte verweigern, fruchtbar zu machen. Gleichzeitig kann die Auseinandersetzung mit der kommunistischen Diktatur in der historisch-politischen Jugendbildung in ganz Deutschland wesentliche Impulse erhalten, wenn die familiären Erfahrungen von Schülerinnen und Schüler, deren Eltern und Großeltern aus den genannten Staaten stammen, ebenso wie von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in den Schulunterricht und andere Bildungsprojekte eingebracht werden.