“Wer etwas über die Geschichte der sowjetischen Besatzungszeit und der frühen DDR erfahren will, muss Wolfgang Leonhards Buch «Die Revolution entlässt ihre Kinder» lesen!"
So oder so ähnlich lautete die Empfehlung eines Kollegen in meinen ersten Tagen bei der Bundesstiftung Aufarbeitung. Und so begleiteten mich Leonhards Erzählungen vom Exil in der Sowjetunion und vom Neuanfang in Berlin im April 1945 über viele Wochen und Monate morgens und abends auf meinen Fahrten mit der S9 von Adlershof zur Otto-Braun-Straße und zurück. Leonhards Erinnerungen gaben mir Einblicke in eine Zeit, von der in meinem Schulunterricht vor und nach 1989 nie die Rede war: die stalinistischen Säuberungen, die Verhaftung seiner Mutter, seine Zwangsaussiedlung nach Kasachstan, Leonhards Aufstieg in der KPD-Exilgruppe, seine Rückkehr nach Deutschland als Mitglied der Gruppe Ulbricht... Leonhards Erzählung endet 1949 mit seinem Bruch mit der SED-Diktatur und seiner Flucht nach Jugoslawien. Er war damals 28 Jahre alt, genau wie ich, als mich sein Buch in seinen Bann zog. Noch heute beeindruckt mich die Vorstellung, was Leonhard als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener erlebt hat. In der Rückschau kann ich nur sagen: Empfehlen Sie Leonhards «Die Revolution entlässt ihre Kinder» jungen Menschen zur Lektüre und weisen Sie sie ausdrücklich darauf hin, dass es sich um die Geschichte eines Gleichaltrigen handelt, die ihnen einen ganz eigenen Zugang zur Geschichte des Kommunismus in der Mitte des 20. Jahrhunderts ermöglicht.
Wolfgang Leonhard: Die Revolution entlässt ihre Kinder. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1. Auflage 1955, 22. Auflage 2005