Gleichgeschlechtliche Sexualität stand hier die meiste Zeit unter Strafe: zwischen 1950 und 1968 die »beischlafähnliche Unzucht« zwischen Männern und ab 1968 homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Jugendlichen, sowohl Männern als auch Frauen. 1988 schaffte die Volkskammer der DDR diese strafrechtliche Diskriminierung ab. Galt Homosexualität bis in die 1960er-Jahre als Überbleibsel des Kapitalismus, als Krankheit oder Missbildung, so wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren vermehrt zu Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben aufgerufen. Doch Jugendliche sollten auch weiterhin vor der »Verführung« zur Homosexualität geschützt werden. Homosexuelle Frauen und Männer hatten kaum die Chance, sich unabhängig zu organisieren und ihre Interessen in der Öffentlichkeit zu vertreten. Bis in die 1970er-Jahre waren Treffen nur in privaten Kreisen und ab den 1980er-Jahren fast ausschließlich in den Räumen evangelischer Gemeinden möglich. Schwul-lesbischer Aktivismus in der DDR war immer zuvorderst Selbstbehauptung, weil Räume der Begegnung und die eigene Sichtbarkeit überhaupt erst erkämpft werden mussten.