"Bisher hatten wir keine Beziehungen, jetzt werden wir schlechte haben – und das ist der Fortschritt."[1]

Mit diesen Worten kommentierte der SPD-Politiker Egon Bahr, der für die Bundesrepublik 1972 die Verhandlungen zum deutsch-deutschen Grundlagenvertrag führte, deren Abschluss. Gab es vorher wirklich keine Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR? Führte der sogenannte "Grundlagenvertrag" tatsächlich dazu, dass die beiden Staaten "als gute Nachbarn in Frieden miteinander leben" konnten, wie es der DDR-Verhandlungsführer, Michael Kohl, im Dezember 1972 beschrieb?[2]

Keine politischen Beziehungen

Nach der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 gab es in ganz unterschiedlichen Bereichen innerdeutsche Beziehungen: So pflegten beispielsweise viele Menschen aus Ost- und Westdeutschland enge familiäre Kontakte, Künstlerinnen und Künstler tauschten sich aus, die Beziehungen zwischen den Kirchen waren eng und es gab wirtschaftliche Verflechtungen. Bis 1964 existierte sogar ein gesamtdeutsches Olympia-Team. Offizielle politische oder diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Staaten gab es aber lange Zeit nicht. Ganz im Gegenteil: Die DDR wollte zunächst ein "sozialistisches Gesamtdeutschland" schaffen und konzentrierte sich dann darauf, die internationale Anerkennung ihres Landes voranzubringen. Die Bundesrepublik erkannte die DDR allerdings nicht an und legte ihren Alleinvertretungsanspruch für Deutschland in der 1955 verabschiedeten "Hallstein-Doktrin" fest. Demnach betrachtete es die Bundesregierung als "unfreundlichen Akt", wenn dritte Staaten die DDR völkerrechtlich anerkennen und mit ihr diplomatische Beziehungen aufnehmen würden.

Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 verschärfte die Situation. Millionen DDR-Bürgerinnen und Bürger wurden quasi über Nacht in ihrem Land eingesperrt und zahlreiche Familien und Freunde voneinander getrennt. Für viele dauerte es Jahre, bis sie ihre Verwandten wiedersehen konnten.

Erste Annäherungen und "neue Ostpolitik"

Grenzübergang an der Friedrichstraße in Berlin. Menschen besuchen ihre Verwandten im Osten
Am Grenzübergang Friedrichsstraße stehen West-Berliner/-innen an, um ihre Verwandten im Ostteil der Stadt besuchen zu können. © Bundesarchiv, Bild 183-C1101-0041-002/Spremberg, Joachim/CC-BY-SA 3.0

1963 verhandelten west- und ostdeutsche Politiker das erste Mal miteinander und einigten sich auf ein Passierscheinabkommen. Die Vereinbarung ermöglichte West-Berlinerinnen und -Berlinern, einen Antrag zum Betreten Ost-Berlins zu stellen und dort über Weihnachten bzw. Neujahr ihre Verwandten zu besuchen. Andersherum galt dies allerdings nicht. Die Aufnahme der Verhandlungen fiel in die Zeit der Entspannungspolitik im Kalten Krieg. Nach der Kuba-Krise wurden den Entspannungsbemühungen zwischen den USA und der Sowjetunion Vorrang vor dem deutschen Wunsch nach Wiedervereinigung gegeben. So forderten die USA und Großbritannien die Bundesregierung auf, eine aktive Ost- und Deutschlandpolitik zu forcieren. Das Passierscheinabkommen von 1963 gilt heute als Beginn einer neuen Ostpolitik der Bundesrepublik, die insbesondere von Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister von Berlin und seinem Berater Egon Bahr vorangetrieben und von den USA und der UdSSR unterstützt wurde. Diese "neue Ostpolitik" lehnte die weitere Isolierung der DDR und der anderen osteuropäischen Staaten ab und setze auf Entspannung. Sie war durch das Konzept "Wandel durch Annäherung" geprägt, das Bahr 1963 das erste Mal bei einer Rede zur Diskussion stellte. Durch mehr Kontakte mit der DDR sollten humanitäre Verbesserungen erreicht und die Berliner Mauer letztendlich durchlässiger werden. Erste Erfolge dieser Politik zeigten sich in drei weiteren Passierscheinabkommen, die bis 1966 ausgehandelt wurden und in bestimmten Zeiträumen Besuche von Menschen aus West-Berlin bei ihren Verwandten in Ost-Berlin ermöglichten.

Weitere Verhandlungen zu neuen Passierscheinabkommen scheiterten allerdings, da die DDR auf eine völkerrechtliche Anerkennung ihres Staates bestand, die Bundesregierung dies aber ablehnte und die Abkommen lediglich auf der Verwaltungsebene schließen wollte. Die SED-Führung setzte in der Folge auf Abgrenzung. So führte sie beispielsweise 1967 eine eigene DDR-Staatsbürgerschaft ein, die von der Bundesrepublik nie anerkannt wurde.

Als 1969 eine neue Koalition zwischen SPD und FDP unter Kanzler Willy Brandt ins Amt kam, nahmen die deutsch-deutschen Beziehungen neue Fahrt auf.  

Schon Brandts Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 zeigte, dass er Abstand vom Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik nahm. Brandt sprach davon, dass zwei Staaten in Deutschland existierten, es aber nur eine deutsche Nation gäbe und forderte

"20 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR müssen wir ein weiteres Auseinanderleben der deutschen Nation verhindern, also versuchen, über ein geregeltes Nebeneinander zu einem Miteinander zu kommen. Dies ist nicht nur ein deutsches Interesse, denn es hat seine Bedeutung auch für den Frieden in Europa und für das Ost-West-Verhältnis."[3]

Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR lehnte aber auch Brandt weiterhin ab.

Ministerratsvorsitzender Willi Stoph und Willy Brandt in Kassel
Ministerratsvorsitzender Willi Stoph erwiderte Willy Brandts Besuch und reiste 1970 nach Kassel. © Bundesstiftung Aufarbeitung, Klaus Mehner, Bild 70_0521_002

Im März 1970 reiste Willy Brandt nach Erfurt, um dort den Ministerratsvorsitzenden Willi Stoph zu treffen. Brandt wurde von zahlreichen DDR-Bürgerinnen und -Bürgern begeistert empfangen. Auch wenn das Treffen ohne konkrete Ergebnisse blieb, war es eine kleine Sensation mit großem Symbolwert: Nie zuvor hatte ein bundesdeutscher Kanzler die DDR besucht. Zwei Monate später folgte der Gegenbesuch von Stoph in Kassel, der ebenfalls ergebnislos blieb. Es hatte sich gezeigt, dass die deutsch-deutschen Beziehungen nicht unabhängig von anderen Ländern – insbesondere der Sowjetunion – besprochen werden konnten. Die "neue Ostpolitik" der Bundesregierung konzentrierte sich deshalb in der Folge zunächst auf Länder außerhalb Deutschlands.

Am 12. August 1970 unterzeichneten die Bundesrepublik und die Sowjetunion einen Gewaltverzichtsvertrag, den sogenannten "Moskauer Vertrag", der die bestehenden Grenzen zwischen der Bundesrepublik und der DDR sowie zwischen Polen und der DDR für unverletzlich erklärte. Auch die deutsche Teilung war Thema, als die Bundesrepublik bei Vertragsabschluss einen "Brief zur deutschen Einheit" an die Sowjetunion übergab, in dem sie verdeutlichte, dass der Vertrag nicht im Widerspruch zum Wiedervereinigungsziel stehe. Kurz darauf schlossen die Alliierten (USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich) das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin ab. Nach komplizierten Verhandlungen verpflichtete sich die Sowjetunion darin unter anderem, den Verkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin zu verbessern und erkannte die faktische Zugehörigkeit von West-Berlin zur Bundesrepublik an.

Ende 1971 kam es dann schließlich zum ersten deutsch-deutschen Abkommen auf Regierungsebene: Egon Bahr, Bundesminister für besondere Aufgaben und Michael Kohl, Staatssekretär beim Ministerrat der DDR, unterzeichneten ein Transitabkommen. Einige Monate später folgte ein Verkehrsvertag, der Reiseerleichterungen für Bundesbürger/-innen nach West-Berlin und in die DDR vorsah. Die Bundesrepublik zahlte im Gegenzug eine jährliche Pauschalsumme an das SED-Regime, unter anderem für die Schienennutzung und die Instandhaltung der Transitstrecken. Dadurch erhielt die DDR dringend benötigte Devisen. Bald darauf wurde es auch DDR-Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, in "dringenden Familienangelegenheiten" Verwandte in der Bundesrepublik zu besuchen. Dies war zuvor lediglich für Rentnerinnen und Rentner möglich gewesen.

Die Abkommen und Verträge, die im Rahmen der "neuen Ostpolitik" entstanden, lösten viele Diskussionen aus. In der Bundesrepublik war die "neue Ostpolitik" in den Parteien extrem umstritten und spaltete das Land. Insbesondere die CDU/CSU warnte, dass man durch die zwischenstaatlichen Vereinbarungen die Teilung Deutschlands zementiere. Bundeskanzler Brandt hingegen betonte, dass bessere Ost-West-Beziehungen der Einheit Deutschlands dienen würden. In diesem Konflikt kam es 1972 zu einem Misstrauensvotum gegen Brandt im Bundestag, das dieser nur knapp überstand – nicht zuletzt durch Stimmen von Abgeordneten, die von der Stasi bestochen worden waren. Die DDR-Spitze, mittlerweile unter Führung Erich Honeckers, hatte ein großes Interesse daran, Brandt im Amt zu halten und die deutsch-deutschen Abkommen voranzubringen. Honecker versprach sich davon die internationale Anerkennung und eine wirtschaftliche Stärkung der DDR.

Grundlagenvertrag

"Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik entwickeln normale gutnachbarliche Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung." [4]

So lautet der erste Artikel des "Vertrags über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" – kurz "Grundlagenvertrag", der am 21. Dezember 1972 in Ost-Berlin unterzeichnet wurde. Darin wurden die Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten das erste Mal weitreichend geregelt. Der Vertrag unterstrich die Selbstständigkeit beider Länder und den Willen, humanitäre Fragen zu regeln. Es wurde unter anderem festgehalten, dass die DDR und die Bundesrepublik auf unterschiedlichen Gebieten, wie der Wirtschaft, der Wissenschaft und Technik, dem Verkehr, dem Post- und Fernmeldewesen, dem Gesundheitswesen, der Kultur, dem Sport und dem Umweltschutz zusammenarbeiten wollten.

Spätestens mit diesem zentralen Vertragswerk wurde deutlich, dass die Bundesregierung die Hallstein-Doktrin gänzlich aufgegeben hatte und den Weg zur internationalen Anerkennung der DDR freimachte. Im Jahr nach dem Abschluss des Grundlagenvertrags nahmen dann auch über 60 Länder diplomatische Beziehungen zur DDR auf. 1973 wurden die DDR und die Bundesrepublik Mitglieder der UNO. Völkerrechtlich erkannte die Bundesrepublik die DDR aber auch weiterhin nicht an. Daher wurde im Grundlagenvertrag die Einrichtung von "Ständigen Vertretungen" anstelle von Botschaften vereinbart. Die Frage nach der Art der zwischenstaatlichen Beziehungen war ein zentraler Streitpunkt der schwierigen Verhandlungen, die von Minister Egon Bahr für die Bundesrepublik und Staatssekretär Michael Kohl für die DDR geführt worden waren. Bahr hielt an einer einheitlichen deutschen Nation fest, Kohl lehnte diese Vorstellung ab und sprach von zwei Nationen. Die "Lösung" stellte schließlich das Festhalten der Uneinigkeit dar. In der Präambel des Grundlagenvertrags steht, dass die beiden Staaten unterschiedliche Auffassungen "zu grundsätzlichen Fragen, darunter zur nationalen Frage" haben.

Egon Bahr übergab zwar wie beim "Moskauer Vertrag" einen "Brief zur deutschen Einheit", in dem festgehalten war, dass der Grundlagenvertrag nicht im Widerspruch zum Wiedervereinigungsziel der Bundesrepublik steht. Das war einigen westdeutschen Akteuren aber nicht genug. Sie bezeichneten den Grundlagenvertrag teilweise als "Teilungsvertrag". Der Freistaat Bayern reichte sogar eine Klage beim Bundesverfassungsgericht ein. Die Klage wurde zwar vom Gericht abgewiesen, aber zugleich betont, dass die Bundesrepublik am Wiedervereinigungsgebot festhalten müsse.

Der Grundlagenvertrag bildete von nun an den Rahmen für die innerdeutschen Beziehungen. Er galt als gemeinsamer Nenner, auf den sich beide Staaten bis zum Sturz der SED-Diktatur bezogen. Doch entstanden wirklich "normale gutnachbarliche Beziehungen"?

Auswirkungen des Grundlagenvertrags

Nach dem Grundlagenvertrag gab es tatsächlich sehr viel mehr Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Dies wurde nicht zuletzt durch die Einrichtung der "Ständigen Vertretungen" deutlich, die in dem jeweiligen Land ihre Arbeit begannen. Sie übernahmen die typischen Aufgaben von Botschaften: Die Vertretung der Interessen des Entsendestaates und die Förderung der Beziehungen zwischen beiden Ländern auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet. Die Ständigen Vertretungen waren aber auch intensiv mit den Besonderheiten der innerdeutschen Beziehungen konfrontiert. So verschanzten sich beispielsweise in den 1980er-Jahren immer wieder Menschen aus der DDR auf dem Gelände der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin und versuchten durch diese "Besetzungen", ihre Ausreise in die Bundesrepublik zu erzwingen.

Schon allein in Hinblick auf das brutale Grenzregime der DDR kann von "normalen gutnachbarlichen Beziehungen" aber nicht die Rede sein. Die vermehrten Kontakte zwischen der DDR und Bundesrepublik führten dazu, dass die DDR-Bürgerinnen und Bürger mehr über das Leben in Westdeutschland erfuhren und in Kontakt mit Produkten und Lebensformen kamen, die es in ihrem Land nicht gab oder die nicht geduldet wurden. Um diese Eigenbewegung einzugrenzen, verschärfte die SED-Diktatur die Verfolgung von Andersdenkenden im Land, während sie die internationale Anerkennung nach außen weiter vorantrieb.

Trotz dieser schwierigen Lage erleichterten der Grundlagenvertrag und die Folgeabkommen das Zusammenleben der Deutschen, auch wenn sich die Verhandlungen oft in die Länge zogen. So konnten beispielsweise westdeutschen Journalisten seit 1973 eine offizielle Akkreditierung in der DDR erhalten. Auch wenn der Konsum von Westmedien dort offiziell ein Tabu war, wurden die Berichte – insbesondere im Fernsehen – von der Bevölkerung mit großem Interesse verfolgt. Denn hier konnte man sich abseits der staatlich gelenkten DDR-Presse informieren. Die Arbeit der westdeutschen Journalisten in der DDR verlief aber nicht ohne Probleme. Sie wurden sehr streng von der Stasi überwacht und teilweise aus der DDR ausgewiesen, wenn sie dem SED-Regime zu unbequem wurden.

Mülldeponie
Mülldeponie Schönberg im Bezirk Rostock. Hier lagerte Giftmüll aus ganz Europa. © Bundesstiftung Aufarbeitung, Klaus Mehner, Bild 86_0904_UMW_Deponie_38

Auch beim innerdeutschen Postverkehr gab es nach dem Grundlagenvertrag Erleichterungen. Die Postsendungen wurden zwar weiterhin kontrolliert, sogenannte „Westpakete“ durften in den 1970er-Jahren aber nicht mehr nur 7 kg, sondern bis zu 20 kg wiegen. Auch die erlaubten Mengen für das Verschicken bestimmter Genussmittel – wie Kaffee und Schokolade – in die DDR wurden erhöht, bis die Beschränkungen schließlich ganz wegfielen.

Ein weiteres Abkommen, das sich in der Präambel dezidiert auf den Grundlagenvertrag berief, war das Gesundheitsabkommen von 1974, welches unter anderem festlegte, dass Einreisende aus dem jeweils anderen Staat während ihres Aufenthalts Anspruch auf medizinische Hilfe hatten. Auch auf anderen Gebieten standen die Bundesrepublik und die DDR von nun an in Verhandlungen: So wurde 1986 ein Kulturabkommen geschlossen und 1987 schließlich eine Umweltvereinbarung von beiden Ländern unterzeichnet.

Entwicklungen bis zur deutschen Einheit

Auch wenn es immer wieder Krisen in den innerdeutschen Beziehungen gab – unter anderem ausgelöst von der Enttarnung von Willy Brandts persönlichem Referenten Günter Guillaume als DDR-Spion (1974) oder durch den Tod eines westdeutschen Mannes bei einer Vernehmung durch DDR-Grenzorgane (1983) – entspannte sich die Lage zwischen den beiden deutschen Staaten in den Jahren nach dem Grundlagenvertrag zusehends. Es wurden viele, teils schwierige Verhandlungen auf unterschiedlichen Gebieten geführt – vom Telefon- und Postverkehr über den Sport bis zum Häftlingsfreikauf, der abseits der Öffentlichkeit im Geheimen stattfand.

Von besonders großer Bedeutung waren die deutsch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen. Die Handelsbeziehungen wurden intensiviert und die Bundesrepublik leistete mehrfach Transferzahlungen, um die DDR zu humanitären Zugeständnissen zu bewegen. 1983 bürgte die Bundesregierung für einen Milliardenkredit, den die kurz vor dem Bankrott stehende DDR bei westdeutschen Banken aufnahm. Im Gegenzug stellte Honecker humanitäre Verbesserungen in Aussicht.

Bundeskanzler Helmut Kohl empfängt den DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker mit militärischen Ehren, 7. September 1987.
Bundeskanzler Helmut Kohl (links) empfängt den DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker mit militärischen Ehren, 7. September 1987. © Bundesregierung / Lothar Schaack

Die innerdeutschen Beziehungen rissen auch Anfang der 1980er-Jahre nicht ab, obwohl die Lage im Kalten Krieg wegen des neu aufgeflammten Wettrüstens der Supermächte USA und UdSSR sehr angespannt war. Auch in der Bundesrepublik und in der DDR wurden neue Raketen stationiert und die jeweilige Bündnisloyalität unterstrichen. Dies ging nicht spurlos an den deutsch-deutschen Beziehungen vorüber. So lehnte SED-Generalsekretär Erich Honecker auf Druck Moskaus mehrere von der Bundesrepublik ausgesprochene Besuchseinladungen ab. Erst im Jahr 1987 konnte diese Reise schließlich stattfinden. Es handelte sich dabei um den ersten und einzigen Besuch eines DDR-Staatsoberhauptes in der Bundesrepublik.

Auch wenn es sich offiziell nicht um einen Staats-, sondern um einen "Arbeitsbesuch" handelte, wurde Erich Honecker weitgehend mit den für ein Staatsoberhaupt typischen protokollarischen Ehren in Bonn empfangen. Dies konnte den Eindruck erwecken, als sei die deutsche Zweistaatlichkeit endgültig besiegelt. Für Erich Honecker war der Besuch in der Bundesrepublik der Höhepunkt der internationalen Anerkennung der DDR. Bundeskanzler Helmut Kohl hob hingegen weiterhin die "Einheit der Nation" hervor. Eine wirkliche Rolle spielte die deutsche Einheit bei dem Treffen aber nicht. Es wurde vielmehr ein Ausbau der Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft und Technik beschlossen. Dass der mittlerweile 15 Jahre alte Grundlagenvertrag auch weiterhin das Fundament für die Beziehungen darstellte, zeigt sich in dem gemeinsamen Kommuniqué, das anlässlich des Besuchs am 8. September 1987 veröffentlicht wurde. Dort heißt es fast wortgleich zum Grundlagenvertrag selbst: "Unter Berücksichtigung der Gegebenheiten und unbeschadet der Unterschiede in den Auffassungen zu grundsätzlichen Fragen, darunter zur nationalen Frage, ist es die Absicht beider Seiten, im Sinne des Grundlagenvertrages normale gutnachbarliche Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung zu entwickeln und die Möglichkeiten des Vertrages weiter auszuschöpfen." [5]

Die Intensivierung der Beziehungen fand weiterhin auf unterschiedlichen Ebenen statt. 1986 gab es beispielsweise die erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaft zwischen Eisenhüttenstadt und Saarlouis, weitere folgten. Das SED-Regime kontrollierte aber streng, wer in die Partner-Städte reisen durfte und achtete darauf, dass nur offizielle Besuche stattfanden. So sollten private, unkontrollierbarere Kontakte und mögliche Fluchten vermieden werden. Das funktionierte aber nicht immer. So kehrten im Sommer 1989 mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer DDR-Delegation nicht mehr aus den westdeutschen Partnerstädten zurück. In den folgenden Monaten überschlugen sich die Ereignisse, die schließlich zum Sturz der SED-Herrschaft, zum Mauerfall und zur deutschen Einheit führten. Es waren sicherlich auch die langjährigen innerdeutschen Beziehungen und ihre konkreten Auswirkungen auf die Menschen, die einen Stein aus der Mauer brachen.

Quellen

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