Treuhand Glaskugel
© Bundesstiftung Aufarbeitung

Am 13. April 1991 wurde Birgit Breuel neue Präsidentin der Treuhandanstalt. Die CDU-Politikerin, bisher im Vorstand der Treuhand gewesen, begann im Sommer, die Unternehmenskultur der Treuhand zu stärken und leitete einen Wandel der Arbeitsschwerpunkte und -organisation ein. Als Teil eines Pakets von Maßnahmen, die den Angestellten Leistungsanreize bieten und den internen Zusammenhalt stärken sollten, fand im November 1991 eine große Mitarbeitertagung in der Berliner Wuhlheide statt. Unter dem neuen Motto „Miteinander. Arbeiten für die soziale Marktwirtschaft“ lud die Treuhand alle ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an zwei aufeinanderfolgenden Samstagen ein, an einem umfassenden Programm teilzunehmen. Podiumsdiskussionen mit bekannten Fernsehmoderatoren, ein Auftritt des Kabarett-Ensembles DISTEL und ein Buffet mit Spezialitäten aus der ehemaligen DDR waren einige Höhepunkte der Mitarbeitertage. Im Zentrum stand jedoch ein „Grundsatzreferat“ der Präsidentin Birgit Breuel.[1]

Während der Tagung wurde der sogenannte „Osterbrief“ von Detlev Rohwedder ins Zentrum aller neuen Überlegungen gestellt. Hierbei handelt es sich um ein „Strategiepapier“, welches Rohwedder am 27. März 1991 zur „Lektüre für die bevorstehenden Ostertage“[2] an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versandt hatte. Rohwedder formuliert hierin zehn Punkte für die Weiterarbeit der Treuhandanstalt.[3] Fünf Tage später, am 1. April 1991, wurde Detlev Rohwedder in seinem Privathaus erschossen. Der „Osterbrief“ wurde deshalb häufig in den Rang seines Vermächtnisses an die Treuhandanstalt gehoben.[4]

Auch in ihrer Rede auf der Mitarbeitertagung nahm Birgit Breuel auf den „Osterbrief“ Bezug und erläuterte die Zielsetzungen ihrer Treuhand-Präsidentschaft: schnelle Privatisierung, entschlossene Sanierung und behutsame Stilllegung. Von besonderem Stellenwert war ihr Appell an das „Wir-Gefühl“, weshalb sie das „Zusammenwirken zwischen Ost und West“ und ein „zielgerichtetes Miteinander aller Kollegen“ beschwor.[5] Sie stellte zugleich ein besonderes Geschenk für alle Angestellten vor. Diese erhielten eine Glaskugel, die in einem Treuhandbetrieb in Ostdeutschland produziert worden war. Durch eine in der Kugel eingeschlossene Luftblase war das Logo der Treuhand und das Motto „Miteinander“ zu lesen. Zu Wochenbeginn lag die Kugel in einer Schatulle gemeinsam mit einem hochwertigen Druck von Birgit Breuels Grundsatzreferat auf den Schreibtischen. Die Glaskugel hat für die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ähnlich wie der Osterbrief, bis heute eine besondere Bedeutung; nicht wenige besitzen diese Kugel noch immer.

Zur gleichen Zeit wurden auch zehn Exemplare einer besonderen, nämlich größeren Variante der Glaskugel hergestellt. Eine von ihnen sollte auch der zur Mitarbeitertagung eingeladene Theo Waigel erhalten. Als Bundesfinanzminister hatte er die Fachaufsicht über die Behörde. Waigel sagte jedoch krankheitsbedingt ab, trat dann aber zur Überraschung der Treuhand-Belegschaft abends im Fernsehen auf. Das kam bei den Mitarbeitern und Birgit Breuel gar nicht gut an. Die Kugel mit dem Schriftzug „Miteinander“ wurde ihm deshalb auch bei anderer Gelegenheit nie übergeben und verblieb in der Behörde. Treuhänderisch sozusagen. 

Quellen

[1] Vgl. Marcus Böick, Die Treuhand. Idee – Praxis – Erfahrung. 1990 – 1994, Göttingen 2018, S. 434-447.

[2] Detlev Rohwedder: Brief an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Treuhandanstalt. Die Treuhand erfüllt ihren Auftrag: Schnelle Privatisierung – entschlossene Sanierung – behutsame Stilllegung, 27.03.1991, in: Treuhandanstalt (Hrsg.), Dokumentation: 1990-1994, Bd. 1, Berlin 1994, S. A72-A75, hier A72. Vgl. auch Marcus Böick, Die Treuhand. Idee – Praxis – Erfahrung. 1990 – 1994, Göttingen 2018, S. 296.

[3] Detlev Rohwedder: Brief an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Treuhandanstalt. Die Treuhand erfüllt ihren Auftrag: Schnelle Privatisierung – entschlossene Sanierung – behutsame Stilllegung, 27.03.1991, in: Treuhandanstalt (Hrsg.), Dokumentation: 1990-1994, Bd. 1, Berlin 1994, S. A72-A75.

[4] So zum Beispiel: Erklärung des Vorstandes der Treuhandanstalt, 02.04.1991, in: Treuhandanstalt (Hrsg.), Dokumentation: 1990-1994, Bd. 1, Berlin 1994, S. A76.

[5] Birgit Breuel: Miteinander. Arbeiten für die soziale Marktwirtschaft, Grundsatzreferat, gehalten an den Mitarbeiter-Tagen. 23. und 30. November 1991, Berlin-Wuhlheide, in: Treuhandanstalt (Hrsg.), Dokumentation: 1990-1994, Bd. 12, Berlin 1994, S. 917-936, hier S. 933.

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