Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt. Allerdings gibt es Einschränkungen, und zwar dort, wo die Rechte anderer berührt sind: Ehrabschneidende Beleidigungen sind von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Die Meinungsfreiheit entspringt nämlich keinem radikalen Freiheitsverständnis, nach dem jeder alles sagen können soll, was er will. Die Meinungsfreiheit zählt vielmehr zu jenen Grundrechten, die die persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten des Bürgers vor willkürlichen Einschränkungen des Staates schützen soll. Erstmals wurde sie in der Französischen Revolution zu einem Bürgerrecht erklärt, das den absolutistischen Obrigkeitsstaat rechtlich einhegen sollte. Unser heutiges Verständnis von Meinungsfreiheit geht zudem auf die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts zurück, als Diktaturen die bürgerlichen Freiheiten mit den Instrumenten einer modernen Staatsbürokratie beschnitten haben. Der Grundrechtskatalog des 1949 verabschiedeten Grundgesetzes ist insbesondere die demokratische Antwort auf die staatlichen Massenverbrechen im Nationalsozialismus.

Auch die Verfassungen der DDR schützten die Meinungsfreiheit im Artikel 9 (Verfassung von 1949) bzw. Artikel 27 (Verfassung von 1968). Wie andere in der Verfassung verbriefte bürgerliche Rechte, wurde das Recht auf freie Meinungsäußerung dem Herrschaftsanspruch der SED untergeordnet. Mit den Straftatbeständen der „Boykotthetze“ oder später der „staatsfeindlichen Hetze“ und der „Staatsverleumdung“ schützte sich der Staat vor seinen Bürgern. Meinungsäußerungen, die die staatliche Ordnung der DDR vermeintlich schädigten oder deren staatliche Organe angeblich verleumdeten, konnten mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Der Staat bekam damit ein Instrument in die Hand, die Meinungsfreiheit nach eigenem Gutdünken zu beschränken.

Die Staatsmacht ahndete nicht genehme Meinungsäußerungen mitunter schwer. In den 1950er Jahren reichte es, kritische Witze zu erzählen, um ins Gefängnis zu kommen. Öffentliche Kritik an der SED-Diktatur wurde besonders hart geahndet. So wollte der 18-jähriger Lehrling Jörg Drieselmann am 13. August 1974 in Erfurt auf die Getöteten an der innerdeutschen Grenze aufmerksam machen und schrieb auf ein Plakat die am Abend zuvor im RIAS genannten Opferzahlen. Auf diese Aktion hin wurde er verhaftet und als „Rädelsführer einer staatsfeindlichen Gruppierung“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Auch fühlte sich die Staatsmacht weder an die eigene Verfassung, noch an internationale Verträge gebunden. Obwohl die DDR 1975 die KSZE-Schlussakte von Helsinki unterzeichnet und damit die Geltung der Menschenrechte anerkannt hatte, wurde 1978 der Erfurter Peter Leube wegen „Staatsfeindlicher Hetze“ zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er 1978 bei der Maidemonstration auf dem Erfurter Domplatz ein Plakat mit dem Satz "Ich fordere das Menschenrecht auf freie Ausreise!“ entrollte. Selbst kleinste Ordnungswidrigkeiten wurden hart bestraft. Vier Punks aus Weimar wurden wegen „Rowdytums“ zu 5 bis 6 Monaten Gefängnis verurteilt, da sie mit Graffiti Sprüche wie „Macht aus dem Staat Gurkensalat“ auf Häuserwände gesprüht hatten.

Wie ist es nun heute? Auch in einer freien Gesellschaft kann man nicht alles sagen, aber niemand muss wegen seiner Kritik an staatlichen Repräsentanten, Institutionen oder Maßnahmen ins Gefängnis. Keiner derjenigen, die 2015 die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel oder 2020 die Corona-bedingten Einschränkungen kritisierte und dagegen mobilisierte, wurde wegen seiner Kritik verhaftet. Im Gegenteil: In einem Rechtsstaat heben unabhängige Gerichte ein von staatlichen Behörden verhängtes Demonstrationsverbot auf Klage einzelner Bürgers regelmäßig wieder auf. In der DDR war ein vergleichbares Urteil gegen die Staatsmacht nicht denkbar, da die Justiz aufgrund der fehlenden Gewaltenteilung nicht unabhängig war.

In einer Demokratie wird der gesellschaftliche Diskurs hingegen von Gesetzen eingefasst, die dem Schutz des Einzelnen und der freiheitlichen Grundordnung dienen. In der Bundesrepublik steht etwa die Leugnung des Holocaust unter Strafe, und wer öffentlich zu Gewalt und Hass gegenüber Dritten aufruft, kann wegen Volksverhetzung strafrechtlich belangt werden. Darüber hinaus gibt es in jedem gesellschaftlichen Diskurs Grenzen des Sagbaren. Wer diese Grenzen überschreitet, muss mit heftigem Widerspruch, Stigmatisierung und auch gesellschaftlicher Ächtung rechnen, jedoch nicht mit einer Bestrafung durch den Staat. Es ist nicht der Staat, der die Grenzen des Sagbaren festschreibt, sondern die Gesellschaft handelt diese oft auch kontrovers aus. Somit sind die Grenzen des Sagbaren nicht unverrückbar, sondern werden im gesellschaftlichen Diskurs fortwährend öffentlich diskutiert und auch neu gezogen.

Mit der Durchsetzung der „neuen Medien“ hat sich die demokratische Öffentlichkeit grundlegend gewandelt. Einerseits sind die Möglichkeiten der medialen Teilhabe sprunghaft angestiegen, andererseits hat die Möglichkeit der Anonymität die moralischen Hemmschwellen sinken lassen. Die Dynamiken gesellschaftlicher Diskurse haben dadurch zugenommen.