Die Delegation wird bedroht

Mitglieder der Delegation waren Kazimierz Kunikowski, Gerard Bobrowski, Adam Dębowski, Bogdan Felski, Henryk Jagielski, Marek Mikołajczuk, Tadeusz Raczek und die Dolmetscherin Irena Fryder. Die Gruppe sollte unter anderem den Kontakt zwischen den Partnerstädten Bremen und Danzig ausbauen. Nach langjährigen Verhandlungen hatte die polnische Regierung 1976 eine Zusammenarbeit mit der Hansestadt gebilligt - die erste Städtepartnerschaft der Bundesrepublik Deutschland mit Polen.

Während ihrer Reise wurde die Delegation von der Grenzpolizei der DDR und dem Militär kontrolliert, durchsucht und verbal bedroht. Die Weiterfahrt verzögerte sich. In den Morgenstunden des 13. Dezember 1981 erfuhren die Mitglieder der Gruppe von der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen. Unsicherheit machte sich breit. Die Telefonleitung nach Polen war unterbrochen. Sollten sie zurückreisen? Wie ging es ihren Kolleginnen und Kollegen? Waren ihre Familien sicher?

Empfang in Bremen

Noch immer herrschte das Kriegsrecht in Polen. Die Delegation hoffte, aus dem Ausland eine größere Hilfe für Polen zu sein und entschied sich, in Bremen zu bleiben. Lediglich Tadeusz Raczek und die Dolmetscherin Irena Fryder reisten Ende Dezember 1981 wieder ab. Am 15. Dezember 1981 wurde die polnische Delegation im Bremer Rathaus empfangen und von Senator Karl Willms auch der breiten Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Arbeit beginnt

Nach anfänglichen Unstimmigkeiten über die anfallenden Kosten für die polnische Delegation sowie ihre Betreuung einigten sich die Stadt Bremen und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am 26. Januar 1982 über die Einrichtung von Büroräumen in der Eduard-Grunow-Straße. Die Räumlichkeiten konnten am 19. April 1982 bezogen werden und die Arbeit des Bremer Solidarność Büros begann.

Zentraler Aufgabenbereich des Solidarność-Büros in Bremen war die Organisation von Hilfspaketen nach Polen. Dabei bekamen die Mitglieder Unterstützung von der katholischen Kirche in Polen. So konnte genau koordiniert werden, wo welche Hilfe am nötigsten gebraucht wurde. Das Büro in Bremen tauschte sich auch mit anderen Außenstellen der Solidarność aus, etwa mit jenen in Düsseldorf und Brüssel sowie mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Die Solidarność-Mitglieder gaben zusätzlich die Zeitschrift „Fakten und Kommentare“ heraus. Damit informierten sie die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeiten. 

Schließung des Büros

Bereits zum Ende des Jahres 1982 zeichnete sich ab, dass die Zweigstelle in Bremen schließen würde. Die Koordination der Auslandsbüros der Solidarność sollte zentral von Brüssel aus übernommen werden. Außerdem wurde das Kriegsrecht in Polen am 22. Juli 1983 aufgehoben. Somit endete die wichtigste Aufgabe der Bremer Delegation: die Verteilung von Hilfsgütern. Mit Beendigung des Ausnahmezustandes in Polen war es den Mitgliedern auch wieder gefahrlos möglich, nach Polen zurückzukehren.

Die Tätigkeiten der Solidarność in Bremen wurden zu Beginn des Jahres 1983 vermehrt auf andere Organisationen verteilt. Zunehmend wurde das Büro als überflüssig erachtet, so dass der DGB am 15. September 1983 die Zahlungen einstellte. Zuvor hatte der DGB Marek Chlebowicz, einen ebenfalls emigrierten Solidarność-Gewerkschafter, um eine Einschätzung des Bremer Büros gebeten. Dieser gab ein vernichtendes Urteil ab. Erst später stellte sich heraus, dass er zuvor für den polnischen Geheimdienst gearbeitet hatte. Ob diese Tätigkeit Fakt seine Einschätzung beeinflusste, ist ungewiss.

Am 21. Oktober verkündeten Henryk Jagielski, Marek Mikołajczuk, Adam Dębowski und Bogdan Felski dann die Beendigung ihrer Arbeit für die Solidarność und das Büro löste sich formell auf. Bis heute ist jedoch umstritten, welche Gründe letztlich zur Auflösung des Büros beitrugen.

Dieses Oral-History-Projekt entstand im Rahmen eines Seminars am Institut für Geschichtswissenschaft an der Universität Bremen im Sommersemester 2021 unter Leitung von Prof. Dr. Susanne Schattenberg.

Die ungeschnittenen Interviews werden im Archiv der Forschungsstelle Osteuropa Bremen verwahrt.


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