Auf der Grundlage des Befehls wurden auch Soldaten der Wehrmacht, Mitglieder der SA, der SS und des Volkssturms verhaftet, die allerdings nicht dauerhaft in Speziallagern festgehalten, sondern in Kriegsgefangenenlager überstellt wurden. Schließlich waren in den Speziallagern kurzzeitig auch sowjetische Staatsangehörige interniert, die als Angehörige der Wlassow-Armee oder als „Ostarbeiter” das Misstrauen des NKWD geweckt hatten. Sie wurden unter dem Vorwurf des Vaterlandsverrats in die sowjetischen Straflager des GULag deportiert. Zwischen 1945 und 1950 registrierte das NKWD in den Speziallagern 157 837 Häftlinge, davon 122 671 deutsche, 34 706 sowjetische und 460 sonstige Staatsangehörige. Nach neueren Erkenntnissen lag die Gesamtzahl schätzungsweise bei bis zu 176 000 Speziallagerhäftlingen. Die Todesrate war aufgrund der katastrophalen Haftbedingungen sehr hoch: Rund 35 Prozent aller Häftlinge überlebten das Speziallager nicht. Außerdem gab es – laut NKWD – 756 Erschießungen in den Lagern.
Speziallager waren Teil des sowjetischen Lagersystems. Neben den Kriegsgefangenen- und Straflagern in der Sowjetunion bildeten sie in der SBZ die dritte, wenn auch mit Abstand kleinste Säule des „Archipel GULag“. Wie alle sowjetischen Lager unterstanden sie dem Volkskommissariat, ab 1946 dem Ministerium für Innere Angelegenheiten (NKWD bzw. MWD). Die konkrete Administration der Lager erfolgte durch die Abteilung Speziallager, die ihren Sitz bei der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) in Berlin-Karlshorst hatte.
Die ersten, noch improvisiert angelegten Lager entstanden Ende April/Anfang Mai 1945 im Frontbereich der Roten Armee (Weesow, Ketschendorf, Fünfeichen, Berlin-Hohenschönhausen). In den Nachkriegsmonaten wurden auf dem Gebiet der SBZ insgesamt zehn Speziallager errichtet. Dabei nutzte die Besatzungsmacht von den Nationalsozialisten zurückgelassene Einrichtungen: die ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen sowie das Zuchthaus Bautzen, das Lager Jamlitz (ein Außenlager des KZ Sachsenhausen), in Torgau das ehemalige Wehrmachtsgefängnis bzw. eine Wehrmachtskaserne und in Mühlberg das ehemalige Kriegsgefangenenlager Stalag IV B. Die meisten Lager wurden bis zum Sommer 1948 wieder aufgelöst. Nur die Speziallager Bautzen, Buchenwald und Sachsenhausen blieben bis Anfang 1950 bestehen. In ihnen waren zum Schluss noch etwa 28 000 Menschen inhaftiert. Erst nach der Gründung der DDR wurden die letzten Speziallager geschlossen, aber nur knapp die Hälfte ihrer Gefangenen entlassen. Etwa 14 000 Speziallagerhäftlinge wurden in den Strafvollzug der DDR übernommen.
Das sowjetische Vorgehen in der SBZ unterschied sich deutlich von dem der Westmächte in ihren Besatzungszonen. Begreift man Speziallager als eine Form alliierter Internierungslager für NS- und Kriegsverbrecher, so bleibt zu konstatieren, dass die sowjetische Besatzungsmacht keine präzisen Kriterien zur Entnazifizierung aufstellte, sondern diese aus allgemeinen Sicherheitserwägungen ableitete. In den Speziallagern waren nur in geringerem Maße tatsächlich für das NS-System Verantwortliche inhaftiert. Angehörige von SA und SS, die in den westalliierten Besatzungszonen die Mehrzahl der Internierten ausmachten, wurden vom NKWD in Kriegsgefangenenlager überstellt, so dass in den Speziallagern überwiegend einfache NSDAP-Mitglieder, Mitläufer und Parteifunktionäre der unteren Ebene (Block- und Zellenleiter) bis hin zu vollkommen willkürlich, manchmal aufgrund von Verwechslungen Inhaftierte gefangen waren. Die Einweisung in ein Lager erfolgte ohne richterliche Prüfung aufgrund formaler Kriterien. Diese Möglichkeit war von den Siegermächten als „automatischer Arrest” für NS- und Kriegsverbrecher beschlossen worden. Jedoch waren die entsprechenden Befehle des NKWD so umfassend formuliert, dass sich ein nahezu unendlicher Interpretationsspielraum ergab. Verhaftungen konnten immer mit dem alliierten Willen zur Entnazifizierung begründet werden, sie konnten aber zugleich auch der Absicherung der sowjetischen Besatzungspolitik durch Repression dienen. Sehr rasch dienten Speziallager auch der Inhaftierung politischer Gegner der sowjetischen Besatzungsherrschaft.
Entnazifizierung und sowjetische Sicherheitspolitik wurden von Anfang an miteinander verbunden. Verhaftungen erfolgten durch sogenannte operative Gruppen des NKWD, die gleichzeitig den Geheimdienstapparat der SMAD darstellten. Pro Provinz gab es einen operativen Sektor, dem auf Bezirks- und Kreisebene zahlreiche Operativgruppen unterstellt waren. 1946 existierten in der SBZ ungefähr 170 operative Gruppen des NKWD. Sie bestanden in der Regel aus fünf bis sechs Personen, die mit deutscher Unterstützung Verhaftungen vornahmen. Die Informationen deutscher Gewährsleute kamen nicht selten von kommunistischen Widerstandskämpfern, die nach der Niederlage des Nationalsozialismus ein sozialistisches System in Deutschland errichten und im Sinne einer politischen Säuberung alle „Faschisten” beseitigt sehen wollten. Daneben war Denunziationen jeglicher Art Tür und Tor geöffnet. Bei den Verhören wandten die Operativgruppen systematisch Folter an. Die Vernehmungen konnten sich über Monate hinziehen, ohne dass der Betreffende wusste, was ihm vorgeworfen wurde. Sie fanden in der Regel nachts, d. h. unter Schlafentzug, statt und waren von Drohungen und Schlägen begleitet. Auf diese Weise wurden Selbstbeschuldigungen und Namen weiterer zu verhaftender Personen erpresst. In der Erinnerung der Zeitzeugen hat sich für diese Etappe ihrer Leidensgeschichte der Begriff „GPU-Keller” eingebürgert; GPU war die alte Abkürzung für den sowjetischen Geheimdienst. Einen „GPU-Keller” gab es in jeder Kreisstadt der SBZ.
Die massenhafte Einweisung in Speziallager war bis zum Frühjahr 1946 weitestgehend abgeschlossen. Im Januar 1946 stoppte das NKWD die Internierung untergeordneter NSDAP-Funktionäre wie Block- und Zellenleiter, und die Abteilung Speziallager regte eine Haftprüfung für alle bis dahin ohne richterliches Urteil Internierten an. Sie war sich bewusst, dass in den Lagern in großer Zahl Minderbelastete und auch Unschuldige inhaftiert waren. Aber für Entlassungen fehlten die politischen Entscheidungen. Als sich die SMAD Ende 1946 unter Berufung auf die Kontrollratsdirektive Nr. 38, die detaillierte Vorgaben zur Aburteilung von NS- und Kriegsverbrechern machte, für eine teilweise Entlassung der Internierten einsetzte, kam stattdessen aus Moskau die Anweisung, aus den Speziallagern Arbeitskräfte für den Einsatz in der Sowjetunion zu rekrutieren. Diese Anordnung lässt eine klare Prioritätensetzung erkennen: Die Ausbeutung von Arbeitskraft stand über rechtlichen Erwägungen. Der Versuch, die Speziallager in der SBZ mit den alliierten Beschlüssen zur Entnazifizierung in Einklang zu bringen, wurde ignoriert. Anfang 1947 wurden rund 5 200 Speziallagerhäftlinge zum Arbeitseinsatz in die Sowjetunion deportiert. Laut Moskauer Anweisung hätten es 27 000 sein sollen, aber das erwies sich als unmöglich, da die meisten Häftlinge durch chronische Unterernährung und epidemische Krankheiten wie Ruhr, Tuberkulose oder Diphtherie geschwächt waren.
Die Haftbedingungen in den Speziallagern waren katastrophal. Alle Lager waren um das Drei- bis Vierfache überbelegt. Die Unterkünfte waren mit Ungeziefer (Flöhe, Wanzen, Läuse) verseucht und wurden im Winter nicht oder nur unzureichend beheizt. An Kleidung besaßen die Häftlinge lediglich das, was sie bei ihrer Verhaftung am Leibe trugen. Hauptnahrungsmittel waren Brot und Wassersuppe. In fast allen Lagern brachen die sanitären Einrichtungen – sofern überhaupt vorhanden – unter der Massenbeanspruchung zusammen und verschlimmerten die ohnehin mangelhafte hygienische Situation. Der Alltag war bestimmt von Monotonie. Es wurde nicht gearbeitet. Es gab keine „Umerziehung“, und die Gefangenen durften offiziell nichts besitzen, mit dem sie sich hätten beschäftigen können. Gemäß der Lagerordnung gab es keinerlei Kontakte zu Angehörigen. Anfangs ließen es einzelne Lagerkommandanten dennoch zu, dass Verwandte Lebensmittel, Kleidung und Medikamente am Lagertor abgeben konnten. Spätestens ab dem Frühjahr 1946 war das nicht mehr möglich, da die Lager nun vollkommen von der Außenwelt abgeschirmt wurden. Die meisten Gefangenen galten als spurlos verschwunden. Von Verhaftung, Internierung, Verlegung in andere Lager, Deportation in die Sowjetunion oder Tod erfuhren die Angehörigen von offizieller Seite nie. In der zeitgenössischen Wahrnehmung führte das, insbesondere die hohe Sterberate, zu einer Gleichsetzung der Speziallager mit den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Jedoch kann der sowjetischen Besatzungsmacht eine der NS-Vernichtungspolitik vergleichbare Intention nicht unterstellt werden. Die miserablen Haftumstände in den Speziallagern waren nicht bewusst herbeigeführt worden, sondern ergaben sich aus dem Zusammenspiel von Mangel, Desorganisation und Gleichgültigkeit dem Schicksal der Gefangenen gegenüber. Nicht zuletzt sorgte die lange verzögerte Entlassung aus den Speziallagern für unnötig viele Opfer.
Eine Überprüfung der in den Jahren 1945/46 vorgenommenen Internierungen erfolgte erst im Frühjahr 1948. Durch den SMAD-Befehl Nr. 201 vom August 1947 wurde die Kontrollratsdirektive Nr. 38 zur Grundlage der Entnazifizierung in der SBZ gemacht, die im März 1948 als abgeschlossen galt. Die in den Speziallagern als „NS-Verbrecher” Inhaftierten fanden in dem Befehl 201 zwar keine Erwähnung, aber das zeitliche Zusammenfallen mit der ebenfalls im März 1948 angeordneten Haftprüfung der Speziallagerhäftlinge lässt einen Zusammenhang vermuten. Ende Juni 1948 beschloss der sowjetische Ministerrat die Entlassung von rund 27 750 Häftlingen, die als kleine Funktionäre der NSDAP und der Hitlerjugend, einfache Mitglieder der SA und der SS, niedere Dienstränge der Polizei, der Gestapo und der Justiz sowie Angehörige des Volkssturms interniert worden waren.
Mit der Entlassungsaktion vom Sommer 1948 hätte das Kapitel der Speziallager abgeschlossen werden können, aber die Lager wurden nicht vollständig aufgelöst. Zum einen wurde nur ein Teil der Internierten entlassen, zum anderen hatten unterdessen die Speziallager durch die Aufnahme so genannter SMT-Verurteilter eine neue Funktion erhalten. Bereits Ende 1945 waren die operativen Gruppen des NKWD dazu übergegangen, Verhaftete zuerst einem sowjetischen Militärtribunal (SMT) zu übergeben und danach – nun als Verurteilte – in ein Speziallager einzuweisen. Gleichzeitig bemühte sich die Abteilung Speziallager ab 1946, minderbelastete Internierte zu entlassen und die übrigen durch ein Militärtribunal aburteilen zu lassen. Der damit intendierte Wandel von einem Internierungslager hin zu einem Straflager für SMT-Verurteilte wurde jedoch nie vollzogen. Eine nachträgliche Verurteilung von Internierten fand nur in geringem Maße statt. Dennoch war im Spätsommer 1948 jeder Zweite der in den Speziallagern gefangenen Häftlinge ein Verurteilter.
Die Einweisung SMT-Verurteilter in Speziallager nahm im Laufe des Jahres 1946 stark zu. Dabei wurde insgesamt nur ungefähr ein Viertel aller Urteile mit der Ahndung von NS- und Kriegsverbrechen begründet und unter teilweiser Berufung auf alliierte Direktiven und Gesetze gefällt. In der überwiegenden Mehrzahl verurteilten die Militärtribunale auf der Grundlage des Artikels 58 des russischen Strafgesetzbuches, der ganz allgemein staatsfeindliche („konterrevolutionäre”) Tätigkeit unter Strafe stellte. Ungefähr der Hälfte aller verurteilten Speziallagerhäftlinge wurde „antisowjetische Agitation” oder „Spionage” vorgeworfen. Daneben wurden massenweise Urteile wegen „illegalen Waffenbesitzes“ oder der „Zugehörigkeit zum Werwolf“ gesprochen (knapp ein Fünftel); Delikte, die ebenfalls nach dem sowjetischen Politstrafrecht abgeurteilt wurden. Die Verfahren entsprachen in keinerlei Hinsicht rechtsstaatlichen Ansprüchen. Angeklagt wurde in der Regel allein auf der Grundlage von meist unter Zwang und Folter erpressten Geständnissen. Häufig wurden die Anklagepunkte von den operativen Gruppen des NKWD konstruiert und von den SMT in Schnellverfahren in ein Urteil verwandelt. Die verhängten Strafen bewegten sich fast ausschließlich zwischen zehn und fünfundzwanzig Jahren Haft. Verallgemeinernd kann man sagen, dass die Speziallager mit der Aufnahme von SMT-Verurteilten zunehmend zur Inhaftierung von Personen dienten, die im Sinne der sowjetischen Machtsicherung als „gefährlich” galten.
Die nach der Entlassungsaktion vom Sommer 1948 verbliebenen drei Speziallager Bautzen, Buchenwald und Sachsenhausen sollten im August dem GULag unterstellt werden. Formal wären sie damit vollständig in das System der sowjetischen Straflager integriert worden, was ihrer tatsächlichen Funktion als Haftstätte für politische Gefangene entsprochen hätte. Aber die GULag-Verwaltung verhinderte eine Übernahme, weil die Arbeitskraft der Speziallagerhäftlinge keinen vokswirtschaftlichen Nutzen versprach. Die Lager in der SBZ blieben damit ein Sonderfall, für den in Moskau erst im Zusammenhang mit der Gründung der DDR Interesse aufgebracht wurde. Im September 1949 bat die SED-Führung Stalin darum, als deutliches Zeichen für das Ende der Besatzungszeit die Speziallager in Deutschland aufzulösen. Damit war jedoch nicht die generelle Freilassung der Häftlinge gemeint. Entlassen werden sollten – so beschloss es das sowjetische Politbüro – nur Personen, „die wegen geringfügiger Verbrechen inhaftiert sind und für die demokratische Ordnung in Deutschland gegenwärtig keine Gefahr darstellen”. Damit galten alle Speziallagerhäftlinge, Internierte wie SMT-Verurteilte, gleichermaßen als potentielle Regimegegner. Die endgültige Schließung der Lager bedeutete daher nur für knapp die Hälfte der Gefangenen die Freiheit. Rund 10 500 SMT-Verurteilte wurden unmittelbar ohne weitere Haftprüfung in den Strafvollzug der DDR überführt, mit der alleinigen Begründung, sie würden die staatliche Ordnung der DDR ablehnen. Für 3 450 Internierte, die bis dahin ohne Gerichtsurteil in den Speziallagern festgehalten wurden, inszenierte die SED nach sowjetischen Vorgaben eine nachträgliche Verurteilung. Diese sogenannten „Waldheimer Prozesse“ gelten als der Beginn der politischen Justiz in der DDR.
Die Speziallager Sachsenhausen und Buchenwald wurden im Februar 1950 geschlossen. Knapp zehn Jahre später baute die DDR sie zu nationalen Mahn- und Gedenkstätten für die Opfer des Faschismus um. In Bautzen übernahm die Deutsche Volkspolizei das Gefängnis zusammen mit ca. 5 900 SMT-Verurteilten. Ihr Aufstand im März 1950 wurde vor allem durch die „Briefe aus Bautzen”, die als Appelle in den Westen geschmuggelt wurden, zum Symbol andauernden Unrechts. Erst nach Stalins Tod im März 1953 und dem beginnenden Zerfall des sowjetischen GULag-Systems wurden die ehemaligen Speziallagerhäftlinge in mehreren Amnestiewellen entlassen. Mit den letzten Begnadigungen im Sommer 1956 ging die Ära der Speziallager schließlich zu Ende. Dessen ungeachtet blieben etwas mehr als 200 SMT-Verurteilte bis Ende der fünfziger Jahre und darüber hinaus in Gefängnissen der DDR.
Nach dem Zusammenbruch der DDR, der deutschen Wiedervereinigung und dem Zerfall der Sowjetunion begann die Militärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation in den 1990er Jahren mit der Aufhebung eines Großteils der von sowjetischen Militärtribunalen gesprochenen Urteile. Denjenigen, die als nicht-verurteilte Internierte in den Speziallagern inhaftiert waren, blieb diese juristische Rehabilitierung versagt. Aber Gedenkstätten und Opferverbände, die an fast allen Orten ehemaliger Speziallager entstanden sind, erinnern bis heute an das Unrecht stalinistischer Verfolgung.
Morré, Jörg (2016): Sowjetische Speziallager in Deutschland. In: Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR. 3. überarbeitete und erweiterte Aufl., Berlin: Ch. Links Verlag, S. 610-614.