Anfangs profitierten westdeutsche Betriebe von der Zuwanderung von Fachkräften aus der DDR. Damit war aber nach der Abriegelung der innerdeutschen Grenze (1952) und dem Bau der Berliner Mauer (1961) Schluss. Ab Mitte der 1950er-Jahre bemühte sich die Bundesrepublik deshalb verstärkt um ausländische Arbeitskräfte: 1955 kam das erste Abkommen mit Italien zustande. Weitere Verträge schloss die Bundesregierung mit Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Portugal (1964) und Jugoslawien (1968). Die Zahl der ‚Gastarbeiter‘ genannten ausländischen Beschäftigten in Westdeutschland stieg von 73.000 im Jahr 1954 auf 2,6 Millionen zum Zeitpunkt des Anwerbestopps 1973.

In der DDR verschärfte sich der Arbeitskräftemangel durch Flucht und Übersiedlung von circa drei Millionen Menschen in den Westen. Daher warb die Regierung seit den 1960er-Jahren zunehmend Staatsangehörige befreundeter sozialistischer Länder an: 1963 unterzeichnete die DDR ein Abkommen mit der Volksrepublik Polen, 1967 mit Ungarn. Ab den 1970er-Jahren folgten Verträge mit Algerien (1974), Kuba (1975) und Mosambik (1979), in den 1980er-Jahren mit Vietnam (1980), der Mongolei (1982), Angola (1984), China und Nordkorea (beide 1986). Von allen sozialistischen Staaten, die im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe organisiert waren, beschäftigte die DDR bis 1989/90 mit Abstand die meisten ausländischen Arbeitskräfte.

DDR: Anwerbung unter ideologischen Vorzeichen

Die ‚Gastarbeiter‘-Politik der Bundesrepublik hatte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) zunächst scharf verurteilt und als Fortsetzung der Ausbeutung ausländischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter durch das NS-Regime bezeichnet. Dass die DDR nun selbst Arbeitskräfte aus dem Ausland anwarb, stellte die SED hingegen als Teil von Entwicklungshilfe und gelebter ‚Völkerfreundschaft‘ insbesondere mit postkolonialen Ländern des Globalen Südens dar.

Das wiederum passte gut zum Gründungsmythos der DDR als selbsterklärter antifaschistischer Staat, der im Gegensatz zur Bundesrepublik mit der nationalsozialistischen Ideologie, mit Imperialismus und Rassismus gebrochen habe. „Völkerfreundschaft“, so die Historikerin Ann-Judith Rabenschlag, „wurde als sozialistischer Gegenentwurf zu einem rassistischen Umgang mit Ausländern im kapitalistischen Westen präsentiert.“ Diese Denkweise stand jedoch bis 1989/90 fortwährend im Widerspruch zu Diskriminierungen und xenophoben Einstellungen in der Aufnahmegesellschaft.

Wer waren die ausländischen Beschäftigten in der DDR?

Für viele Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten – insbesondere aus ärmeren Ländern – war der Aufenthalt in der DDR wichtig, um die Familie in der Heimat versorgen zu können. Aber auch das Versprechen einer Berufsausbildung oder schlicht Abenteuerlust lockten für einige Zeit in die Ferne. Die Entsendeländer wiederum erhofften sich eine Entlastung der heimischen Arbeitsmärkte und die Weiterqualifizierung der eigenen Bevölkerung. In einigen Fällen (z. B. Mosambik) diente der Arbeitskräftetransfer auch zur Tilgung von Kreditschulden gegenüber der DDR.

Bis 1990 kamen über die Jahre verteilt über 200.000 Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten in die DDR, die meisten aus Vietnam, gefolgt von Polen, Ungarn, Kuba und Mosambik. Es waren meist junge Menschen, mehr Männer als Frauen, die als Arbeitskräfte mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen einreisten. Gerade in den 1980er-Jahren stellten sie neben den Angehörigen der sowjetischen Streitkräfte und ihren Familien die größte Gruppe ausländischer Staatsangehöriger in der DDR dar. Und doch blieben sie eine verschwindend geringe Minderheit: Ihr Anteil innerhalb der Gesamtbevölkerung lag bis 1989 lediglich bei etwa einem Prozent.

Arbeit und Alltag

Der erste Eindruck von der DDR war für die meisten ausländischen Arbeitskräfte der Flughafen Berlin-Schönefeld. Von dort wurden sie zu ihren Einsatzorten auf das ganze Land verteilt. Wo sie für die nächsten Jahre arbeiten und wohnen sollten, das bestimmte das Staatssekretariat für Arbeit und Löhne, die oberste staatliche Behörde zur Lenkung der Arbeits-, Lohn- und Sozialpolitik.

In fast 1.000 Betrieben leisteten ausländische Beschäftigte bis 1989 einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Produktivität der DDR. Abhängig vom Herkunftsland und Bildungsstand wurden sie vorrangig in der Leicht- und der Schwerindustrie, im Maschinenbau, im Kohlebergbau oder in der Schlachterei, aber auch in der Landwirtschaft eingesetzt. Die Arbeit war oft monoton, körperlich anstrengend oder gar gefährlich und meist schlechter bezahlt. Anfangs boten die Betriebe ihren ausländischen Arbeitskräften eine berufliche Aus- und Weiterbildung. Das Angebot ging jedoch in den 1980er-Jahren zurück, obwohl die Berufsausbildung in der DDR weiterhin Bestandteil der bilateralen Abkommen blieb.

Die Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten wohnten in eigenen Wohnheimen. Dort teilten sich bis zu vier Personen ein Zimmer, die Unterkünfte waren nach Geschlechtern getrennt, es gab strenge Einlasskontrollen. Der Alltag war stark reglementiert und durchgeplant: Neben der Arbeit gab es verpflichtenden Deutschunterricht und – je nach Art der Tätigkeit – Kurse in Mathematik, Naturwissenschaften oder technischen Fächern. Ebenso mussten die ausländischen Arbeitskräfte an ideologischen Schulungen über den Sozialismus in der DDR teilnehmen, die Freizeit sollten sie möglichst in ‚politisch gefestigten‘ Betriebsbrigaden verbringen.

Der Arbeitseinsatz in der DDR war ganz wesentlich von wirtschaftlichen Erwägungen bestimmt. ‚Unproduktive‘, wie kranke Personen oder Schwangere, ließ man erst gar nicht ins Land oder wies sie möglichst schnell wieder aus. Zwar bot die DDR vielen ausländischen Beschäftigten bessere Lebensbedingungen als die jeweiligen Herkunftsländer. Jedoch waren sie insgesamt schlechter gestellt als die einheimische Bevölkerung.

Kontakte zu Einheimischen

Eine nachhaltige Integration ausländischer Staatsangehöriger in die DDR-Gesellschaft war nicht vorgesehen. Dafür sorgte schon die zeitliche Befristung ihres Aufenthalts. Weil sie DDR-Bürgerinnen und DDR-Bürgern einen Blick über die Mauer und auf nicht-konforme Lebensweisen ermöglichen konnten, stellten private Kontakte zwischen den ausländischen Beschäftigten und Einheimischen für den Staat ein Risiko dar, das es zu vermeiden galt. Und doch entstand so manche Freundschaft und Liebesbeziehung. Wollten binationale Paare in der DDR aber heiraten und eine Familie gründen, so legten staatliche Stellen ihnen etliche Steine in den Weg.

Insgesamt trafen die Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten auf eine weitgehend homogene Gesellschaft, in der ethnozentrisches Denken und rassistische Stereotype weiterhin existierten – trotz der offiziellen Verlautbarungen von Antifaschismus und ‚Völkerfreundschaft‘. Diese Diskrepanz spiegelte sich in der Berichterstattung über ausländische Arbeitskräfte ebenso wider wie im Umgang mit Konflikten am Arbeitsplatz oder in Übergriffen im Alltag. Neben Isolation, Kontrolle und Alltagsrassismus erlebten viele Migrantinnen und Migranten aber auch echte Solidarität und Zuwendung. Für einige von ihnen, etwa aus Mosambik, war der Aufenthalt in der DDR durchaus ein positives Erlebnis, bedeutete er doch eine temporäre Entlastung von Armut und Krieg im Heimatland.

Die Situation der ausländischen Arbeitskräfte nach 1989/90

Den Transformationsprozess erlebten nicht nur viele DDR-Bürgerinnen und DDR-Bürger als Zeit der Unsicherheit. Auch die Mehrheit der Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten bangte um ihre Zukunft. Nicht nur waren sie meist die ersten, denen die Betriebe infolge des wirtschaftlichen Zusammenbruchs kündigten. Auch auf einen Verbleib im wiedervereinten Deutschland hatten ausländische Staatsangehörige nur wenig Einfluss, ihr rechtlicher Status war nach dem Ende der DDR ungeklärt. Der Entlassung folgte so meist die (kurzfristige) Abschiebung, die Freundschaften und Familien auseinanderriss.

Doch nicht in allen Fällen nahmen die Entsendeländer ihre Staatsangehörigen so schnell zurück. Manche Regierung beharrte auf die Erfüllung der mit der DDR abgeschlossenen Verträge. Diejenigen ausländischen Arbeitskräfte, die bleiben konnten, hatten aufgrund befristeter Aufenthaltsbewilligungen nicht nur wenig Perspektiven, sie mussten zudem angesichts der Welle rechtsextremer Anschläge und rassistischer Pogrome insbesondere in Ostdeutschland um Leib und Leben fürchten.

Etwa 16.000 ehemalige Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten – vor allem aus Vietnam, Mosambik und Angola – bauten sich trotz der Widrigkeiten eine Existenz in den neuen ostdeutschen Bundesländern auf. Ab 1997 konnten sie eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Obwohl sie Teil des Alltags in der DDR waren und zum Wohlstand des Landes beitrugen, sind ihre Geschichten und Perspektiven bis heute kaum im öffentlichen Bewusstsein präsent. Viele, insbesondere die früheren Beschäftigten aus Mosambik, ringen daher immer noch um Respekt und Anerkennung ihrer in der DDR geleisteten Arbeit.

Quellen
  • Großer-Kaya, Carina / Kubrova, Monika: „… die DDR erschien mir eine Verheißung“. Migrantinnen und Migranten in der DDR und in Ostdeutschland, Berlin 2022.
  • Hanovs, Deniss / Riffel, Dennis / Sudzilovskaya, Anastasia / Treichel, Anja / Wunnicke, Ruth (Hrsg.): Migrationsgesellschaft und Transformationsgesellschaft in Ostdeutschland, eine Publikation von Gegen Vergessen – für Demokratie e. V. und dem Bundesverband russischsprachiger Eltern e. V., Berlin/Köln 2022.
  • Neumann-Becker, Birgit / Döring, Hans-Joachim (Hrsg.): Für Respekt und Anerkennung. Die mosambikanischen Vertragsarbeiter und das schwierige Erbe der DDR, Halle/S. 2020.
  • Oltmer, Jochen / Kreienbrink, Axel / Sanz Díaz, Carlos (Hrsg.): Das „Gastarbeiter“-System. Arbeitsmigration und ihre Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa, Berlin 2012.
  • Perinelli, Massimo / Lierke, Lydia (Hrsg.): Erinnern stören. Der Mauerfall aus migrantischer und jüdischer Perspektive, Berlin 2020.
  • Rabenschlag, Ann-Judith: Arbeitsmigranten in der DDR, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 2023.
  • Dies.: Völkerfreundschaft, Vertragsarbeiter und völkische Identität – Alltagsrassismus in staatlichen und gesellschaftlichen Diskursen der DDR, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2022, Berlin 2022, S. 85-104.
  • Dies.: Völkerfreundschaft nach Bedarf. Ausländische Arbeitskräfte in der Wahrnehmung von Staat und Bevölkerung der DDR, Stockholm 2014.
  • Van der Heyden, Ulrich: Das gescheiterte Experiment. Vertragsarbeiter aus Mosambik in der DDR-Wirtschaft (1979-1990), Leipzig 2019.
  • Wetzel, Johanna M. / Schenck, Marcia C.: Liebe in Zeiten der Vertragsarbeit. Rassismus, Wissen und binationale Beziehungen in der DDR und Ostdeutschland, in: PERIPHERIE – Politik • Ökonomie • Kultur, Nr. 165+166 (1-2022), S. 31-55.