Biographische Angaben aus dem Handbuch der Deutschen Kommunisten:

Geboren am 16. April 1886 in Hamburg. Der Vater Jan, aus Holstein nach Hamburg übergesiedelt, betrieb bei der Geburt seines Sohnes Ernst Fritz Johannes eine Kutscherkneipe, saß aber wegen Hehlerei 1892/93 im Zuchthaus. Ernst Thälmann und seine Schwester Frieda lebten zunächst in einer Pflegefamilie. Als die Eltern Mitte der neunziger Jahre dann einen Kolonialwarenladen eröffneten, wurde er zur Mitarbeit herangezogen, mußte die Pferde versorgen und Waren austragen. Nach der Schulentlassung 1900 blieb Ernst Thälmann noch zwei Jahre als Rollkutscher im Familien-Geschäft. Wegen zahlreicher Streitigkeiten mit dem Vater verließ er das Elternhaus und arbeitete im Hafen. Dann versuchte er sein Glück: Er fuhr auf einem Kohlentrimmer nach Amerika. Das Seemannsleben sagte ihm nicht zu, er verdingte sich bei New York als Landarbeiter, kehrte noch 1907 nach Deutschland zurück und betätigte sich in den verschiedensten Berufen, u. a. als Transportarbeiter und Kutscher. Schon seit Mai 1903 Mitglied der SPD und 1904 des Transportarbeiterverbands. Als Soldat ins 9. Artillerieregiment in Köln eingezogen, wegen Krankheit vorzeitig entlassen, kehrte er nach Hamburg zurück.
Seit 1909 ehrenamtlicher Funktionär der Gewerkschaft, stand er mit vielen anderen jungen Sozialisten und Hafenarbeiter-Kollegen auf dem linken Flügel der SPD. Er wurde in die Ortsverwaltung der Transportarbeiter-Gewerkschaft gewählt, protestierte oft in seiner ungehobelten Weise gegen die Saumseligkeit der »Bonzen«. Im Januar 1915 wurde er als Reservist eingezogen, Soldat an der Westfront, kämpfte an der Aisne, Somme und in der Champagne. Obwohl zweimal verwundet, nicht befördert, denn er revoltierte ständig. Einmal kam er vor ein Kriegsgericht, wurde aber freigesprochen. Im Herbst 1918 kehrte er von einem Urlaub in Hamburg nicht mehr zur Truppe zurück, sondern blieb bis zur Revolution in der Hansestadt. Thälmann wurde Arbeiter auf einer Abwrackwerft. Er schloß sich der USPD an, sein Einfluß in der Partei stieg in dieser revolutionären Situation rasch. 1919 wurde Thälmann für die USPD in die Hamburger Bürgerschaft gewählt. Mit seiner Frau Rosa und seiner 1919 geborenen Tochter Irma lebte er in Hamburg, noch immer als Arbeiter beschäftigt.
Bald galt er als einer der örtlichen Führer der linken USPD und trat 1920 mit der großen Mehrheit der Hamburger USPD für den Anschluß an die Komintern ein. Er war Delegierter auf dem Spaltungsparteitag und schickte von Halle aus eine für ihn typische Nachricht: »Meine lieben Eltern. Sende Euch die herzlichsten Grüße. Hier in Halle ist gestern die Entscheidung gefallen. Wir sind die Ehrlichen, die Aufrichtigen, die Vorwärtstreibenden! Mit revolutionärem Gruß, Euer Ernst!« Der stimmungs- und gefühlsmäßig radikale Thälmann war auch Delegierter des Vereinigungsparteitags von USPD und KPD. Er stand in der KPD ebenfalls auf dem linken Parteiflügel. Seit 1921 Vorsitzender der KPD-Ortsgruppe Hamburg sowie Mitglied der BL Wasserkante. Als Anhänger der »Offensivtheorie« Delegierter auf dem III. Weltkongreß der Komintern 1921. Dort kritisierte Thälmann Lenin und Trotzki und korrigierte sogar Lenin: »Man kann nicht sagen, wie Lenin gesagt hat, man soll den schärfsten Kampf denen ansagen, die die Abänderungsanträge gegen die russischen Thesen vorgelegt haben. In der Kommunistischen Partei ist es das gute Recht jedes Genossen, nach den ökonomischen Verhältnissen jeden Landes das in die Thesen hineinzubringen, was unbedingt hineingehört.« [Diese im Protokoll enthaltenen Sätze sind 1955 in der Ausgabe von Thälmanns Werken im Ostberliner Dietz Verlag, Bd. I, nicht enthalten.] Als Trotzki auf diesem Komintern-Kongreß bemerkte: »Genosse Thälmann ... muß eine sehr gute Fühlung mit den Massen haben«, bestätigte Thälmann stolz: »Jawohl, ausgezeichnete Fühlung.« In Hamburg populär, wurde Thälmann 1921 in der Hansestadt hauptamtlicher Sekretär. Mitglied der Hamburger Bürgerschaft war er ununterbrochen von 1919 bis 1933.
Seit 1921 gehörte er dem ZA der KPD an und stieg 1922/23 neben Ruth Fischer und Arkadi Maslow zu einem Führer der linken Opposition in der KPD auf und vertrat auf dem VIII. Leipziger Parteitag im Januar 1923 die linke Opposition gegen die Brandler-Leitung. Er wurde nicht in die Zentrale gewählt, jedoch nach einem Kompromiß Heinrich Brandlers mit der Opposition im Mai 1923 vom ZA gemeinsam mit Ruth Fischer, Ottomar Geschke und Arthur König in die Zentrale der KPD kooptiert. Mitverantwortlich für den Hamburger Aufstand im Oktober 1923, doch spielte Thälmann bei dieser Revolte keineswegs die Rolle, die ihm später glorifizierend zugeschrieben wurde. Im Januar 1924 stellvertretender Parteivorsitzender unter Hermann Remmele, kam er auf dem IX. Frankfurter Parteitag 1924 mit den Linken in die Spitze der KPD. In die Zentrale und dann auch ins Polbüro gewählt, berief ihn der V. Weltkongreß der Komintern 1924 als Kandidat ins EKKI und ins EKKI-Präsidium, diese wichtige Funktion behielt er bis 1933. Von 1924 bis 1933 vertrat er die KPD als Abgeordneter im Reichstag.
Die sowjetischen Führer umwarben ihn, 1924 nannte Sinowjew die deutschen Kommunisten Thälmann und Remmele »das Gold der Arbeiterklasse«. Als Kandidat der KPD für die Reichspräsidentenwahl 1925 wurde Thälmann überall bekannt, da er Leiter des RFB war, wuchs sein Einfluß in der KPD. Bei der Reichspräsidentenwahl verhalfen freilich die 1,9 Millionen für ihn abgegebenen Stimmen dem Reaktionär Hindenburg (14,6 Millionen) gegen den Demokraten Marx (13,7 Millionen) in den Sattel. Thälmann verkörperte den ultralinken Kurs der KPD, was ein Brief zeigt, in dem er 1924 an Iwan Katz, den damaligen Vertreter der KPD bei der Komintern, schrieb: »Lieber Iwan! Anbei übersende ich Euch ein Memorandum, welches in je einem Exemplar abgeschickt ist an Genosse Sinowjew, Stalin, außerdem ans Sekretariat des EKKI. Hier versuchen die Rechten mit Bestimmtheit einen Laden aufzumachen und ich habe außerordentliches Material geschnappt, was Euch und der Delegation auch nützlich sein wird. Es kommt ferner hinzu, daß hier versucht wird, mit anonymen Briefen führende Persönlichkeiten zu desavouieren. Sowohl in Hamburg über mich wie auch über Dengel in Niederrhein, was mir soeben mitgeteilt wird, sind Beweise dafür. Keine, aber auch keine Konzessionen, sonst heißt es für mich, mit Lumpen, die die Partei zerschlagen wollen, nicht für die Revolution, sondern für die Evolution, arbeite ich nicht zusammen. Haltet Euch gesund und grüßt alle von Euerm immer derselbe bleibenden Teddy.«
Teddy, wie Thälmann genannt wurde, war aber inzwischen ganz auf die Komintern eingeschworen und ging trotz solcher Töne im Frühjahr 1925 nicht mit den Ultralinken. Während die anderen »Renommier-Proletarier« in der Parteispitze ( Paul Schlecht, Wilhelm Schwan, Max Schütz) nach der Absetzung Ruth Fischers durch Moskau 1925 weiterhin fest zu ihr hielten, wurde Thälmann als kominterntreuer Linker nun Vorsitzender der KPD. In den folgenden Jahren wurde er auch zum Theoretiker des deutschen Kommunismus stilisiert. Wie Stalin in Rußland, so sollte Thälmann in Deutschland der bedeutende große Führer sein. Das mußte ihm, einem ehrlichen Arbeiter, der gefühlsmäßig zum Radikalismus neigte und der eher als Provinzpolitiker denn als Parteivorsitzender geeignet war, zu Kopfe steigen. Frühere linke Fraktionsfreunde kritisierten ihn nun als Held der linken Phrase, als Opportunist reinsten Wassers, der an einer an Größenwahn grenzenden Einbildung leide, unter Einfluß von Alkohol nicht die geringsten Hemmungen kenne und sich mit einem Stab politischer Chamäleons umgeben habe. Tatsächlich brachten ihn zwielichtige Freunde wie John Wittorf oder Willy Leow ja auch fast zu Fall.
Thälmanns Absicht, Wittorfs Unterschlagungen zu vertuschen, führten im September 1928 zu dem ZK-Beschluß, seine Funktion als KPD-Vorsitzender ruhen zu lassen. Einstimmig hatte das ZK seine Absetzung verfügt, und Thälmann willigte in alles ein. Nachdem Stalin ihn im Oktober 1928 aber wieder einsetzte, verstärkte sich sein ehrgeiziger Wunsch, nunmehr der bestimmende Parteichef zu sein. Bis 1933 blieb er an der Spitze der KPD, selbst Heinz Neumann stolperte über den Versuch, gegen ihn zu intrigieren. Auch 1932 trat er wieder als Präsidentschaftskandidat der KPD an und erhielt im ersten Wahlgang 5 Millionen von 37 Millionen Stimmen, im zweiten Wahlgang votierten nur noch 3,7 Millionen Wähler für ihn (für Hindenburg 19,4, für Hitler 13,4 Mio.). Dennoch wurde er weiter als »der Führer« der deutschen Partei herausgestellt.
Es war Thälmanns persönliche Tragödie, daß er von der Komintern in eine Funktion gehoben wurde, der er geistig und politisch nicht gewachsen war. Am 3. März 1933 festgenommen, blieb er im Gefängnis standhaft. Ein Plan, Thälmann 1936 aus der Haft in Moabit zu befreien, wurde vom ZK der KPD in letzter Minute abgesagt. Weil er sich entdeckt glaubte, verübte Thälmanns Bewacher Moritz, insgeheim Kommunist, Selbstmord. Nach dem Stalin-Hitler-Pakt 1939 hoffte Thälmann (wie Rákosi in Ungarn), nach Moskau ausgetauscht zu werden, und er schrieb entsprechende Briefe an Stalin, doch dieser ließ seinen getreuen Anhänger im Stich. Zwölf Jahre mußte Thälmann in Einzelhaft verbringen, zuerst in Moabit, dann in Hannover und in Bautzen. Ins KZ Buchenwald gebracht, wurde Ernst Thälmann dort am 18. August 1944 ermordet. Doch sein Märtyrertod kann nicht überdecken, daß Thälmann als Hauptverantwortlicher für die katastrophale ultralinke Politik der KPD von 1929 bis 1933 sowie die völlige Unterwerfung der KPD unter Stalin in der Arbeiterbewegung eine verhängnisvolle Rolle spielte. Inzwischen liegen einige Biographien über ihn vor.
Thälmanns Frau Rosa, geb. Koch, am 27. März 1890 in Bargfeld/Kreis Storman als Tochter eines Schuhmachers geboren, war Landarbeiterin und Hausangestellte, von 1908 bis 1915 Arbeiterin in einer Hamburger Wäscherei. 1915 heiratete sie Ernst Thälmann, folgte ihrem Mann Ende 1920 in die KPD, blieb aber in Hamburg wohnhaft. Nach 1933 war sie viele Jahre lang die einzige Verbindung zwischen dem Inhaftierten und der KPD-Führung. 1944 wurden sie und ihre Tochter Irma ins KZ Ravensbrück gesperrt. Nach 1945 im Zentralvorstand der VVN, ab 1950 Volkskammerabgeordnete und nach Auflösung der VVN im Februar 1953 Präsidiumsmitglied der Antifaschistischen Widerstandskämpfer in der DDR, sie erhielt 1952 den Karl-Marx-Orden. Rosa Thälmann starb am 21. September 1962 in Ost-Berlin.
Thälmanns Tochter Irma, geboren am 6.November 1919 in Hamburg, wirkte in der DDR für die von der SED-Führung propagierte Thälmannlegende. Sie trennte sich 1990 von der PDS, der sie ein »sozialdemokratisches Programm« vorwarf, Neuinterpretationen der Rolle Ernst Thälmanns nannte sie »verleumderisch«. Zur Bundestagswahl 1998 war sie Kandidatin der DKP in Berlin-Lichtenberg. Irma Thälmann-Gabel starb am 10. Dezember 2000 in Berlin.

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Redaktionsschluss: Mai 2008. Eine kontinuierliche Aktualisierung der Biographien kann von den Herausgebern nicht gewährleistet werden. Soweit bekannt, werden Sterbedaten in regelmäßigen Abständen nachgetragen. Änderungs- und Korrekturwünsche werden von den Herausgebern des Handbuches geprüft und ggfl. eingearbeitet (Mail an herbst@gdw-berlin.de).

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