Biographische Angaben aus dem Handbuch "Wer war wer in der DDR?":

Geb. in Köln in einer jüd. Fam.; Vater Kfm., Kunstsammler (die Eltern wurden im KZ Auschwitz ermordet); Volksschule; Schillergymn. in Köln; 1925 – 29 Studium der Staats- u. Rechtswiss., Geschichte u. Musik an den Univ. Köln, Berlin u. Bonn; 1931 Dr. jur. bei Hans Kelsen, Univ. Köln; Mitgl. der SAP; 1932 – 35 KPD(O); 1933 Große Jur. Staatsprüfung; Emigr. nach Paris; 1935 – 38 u. 1939 – 45 Schweizer Exil (Genf, Zürich), 1938 Paris; Arbeit am Rockefeller-Inst. für internat. Studien (Genf), Stipendiat des Inst. für Sozialforschung; erste germanist. Arbeit »Georg Büchner u. seine Zeit« (veröff. 1946, 1948 als Habil.-Schrift in Leipzig anerkannt); 1938 Aberkennung der dt. Staatsbürgerschaft; 1945 in der Schweiz Bestätigung der KPD-Mitgliedschaft.
1945 Rückkehr nach Dtl. (Frankfurt (Main)); Kulturred.; 1946/47 pol. Chefred. von Radio Frankfurt (Main), Bruch wegen marxist. Grundpositionen; 1947/48 Doz. an der Akad. der Arbeit Frankfurt (Main) (Ausbildung von Gewerkschaftsfunktionären); 1948 Prof. für Geschichte der Nationallit. an der Univ. Leipzig; 1950 Ordinarius für Kultursoziol. u. Lit.-Geschichte; Lehrer u. a. von  Christa Wolf,  Götz Friedrich,  Uwe Johnson,  Volker Braun,  Irmtraud Morgner; 1955 NP; 1956 im trotz Radiozensur (versehentlich?) in der Ztschr. »Sonntag« abgedruckten Sendemanuskript »Zur Gegenwartslage unserer Lit.« Eintritt für eine erweiterte Lit.-Rezeption (Franz Kafka, William Faulkner, Thornton Wilder), der DDR-Lit. wurde ein »Krankheitszustand« attestiert u. der Reichtum der 20er Jahre beschworen, Revisionismusvorwürfe; Jan. 1957 Prof. für Neuere dt. Literaturgesch. u. Dir. des neugegr. Inst. für Dt. Literaturgesch. an der Philos. Fak. der KMU Leipzig; nach dem Mauerbau Aug. 1961 trotz Aufenthalts in England Rückkehr in die DDR; 1962 »Ansichten. Zur Lit. der Zeit«, soziolog. Lit.-Betrachtungen u. a. zu  Brecht, Pasternak, Sartre, Beckett, Ionesco, danach öffentl. Angriffe (»eine Lehrmeinung zuviel«) u. kulturpol. Auseinandersetzungen; Sept. 1963 blieb H. M. nach einer Vortragsreise in der Bundesrep. Dtl.; 1964 Mitgl. der AdK Berlin (West); 1965 Prof. für dt. Sprache u. Lit. an der TU Hannover; danach Gastprof. in Frankreich, Schweden u. den USA; Mitgl. des PEN-Zentrums Bundesrep. Dtl.; 1969 Dr. h. c. der Univ. Brüssel; 1971 Dir. der Abt. Lit. der AdK Berlin (West); 1972 Ehrensenator der Univ. Wisconsin (USA); 1973 em.; große Goethe-Biogr. »Goethe. Ein Versuch über den Erfolg«; 1974 Gastprof. am »College de France«; 1975 Honorarprof. der Univ. Tübingen; Ehrenmitgl. der Modern Language Association of America; erfolgr. Hauptwerk »Außenseiter«; 1986 erster Vortragsauftritt in Berlin (Ost); 1987 Korr. Mitgl. der AdK der DDR; 1987 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern u. Schulterband.
1992 Ehrensenator der Univ. Leipzig; 1993 Offz. des frz. Ordens für Kunst u. Wiss.; 1995 Ernst-Bloch-Preis; Heinrich-Mann-Preis; 1996 Ehrenpräs. des Dt. PEN-Zentrum (Ost); 1998 Bestätigung als Ehrenpräs. des wiedervereinigten PEN-Zentrums Dt.; 2001 Ehrenbürger von Leipzig; gest. in Tübingen.
Bedeutender Verf. zahl- u. einflußr. wiss. u. essayist. Arbeiten zur dt. Lit.- u. Kulturgeschichte v. a. unter soziol.-hist. Aspekt, u. a. »Georg Büchner u. seine Zeit«, 1946; »Unendliche Kette. Goethestudien«, 1949; »Thomas Mann. Werk u. Entw.«, 1950; »Thomas Mann«, 1980); »Friedrich Schiller u. die Nation«, 1953; »Richard Wagner«, 1959; »Richard Wagner. Mitwelt u. Nachwelt«, 1978; »Bertolt Brecht u. die Tradition«, 1961; »Brecht in der Geschichte«, 1971; »Erinnerungen an Brecht«, 1996; engagierter Lit.-Kritiker, Hrsg., Übersetzer u. Zeitzeuge; in seiner Dtl.-Trilogie (»Der Turm von Babel«, 1991; »Wendezeiten«, 1993; »Der Widerruf«, 1994) plädiert H. M. für eine hist. gerechte Beurteilung der DDR.

Publ.
Ein Deutscher auf Widerruf. 2 Bde. Autobiogr. Frankfurt (Main) 1984, 1986; Die umerzogene Lit. Berlin 1988; Die unerwünschte Lit. Berlin 1989; Reisen nach Jerusalem. Erfahrungen 1968 bis 1995. Frankfurt (Main) 1997; Zeitgenossen: Erinnerung u. Deutung. Frankfurt (Main) 1998; Erinnerungen an Willy Brandt. Frankfurt (Main) 2001; Briefe 1948 – 63. Leipzig 2006 (hrsg. von M. Lehmstedt).
Sek.-Lit.
Jens, I.: Über H. M. Fs. Frankfurt (Main) 1977; Klein, A.: Unästhetische Feldzüge: der siebenjährige Krieg gegen H. M. Leipzig 1997; Sandig, A.: Erinnerungen an H. M. Hamburg 2002; Berger, C.: Der späte H. M. Wien 2003; Moebius, S.: Die Zauberlehrlinge. Konstanz 2006; Lehmstedt, M. (Hrsg.): Der Fall H. M. Dokumente 1956 – 1963. Leipzig 2007.
AnK