Biographische Angaben aus dem Handbuch "Wer war wer in der DDR?":

Geb. in Berlin-Wedding; Eltern Arbeiter; Volksschule; Ausbildung zum u. Arbeit als Werkzeugmacher; Feb. 1919 FSJ bzw. KJV u. 1920 KPD; 1921 Funktionär des KJV in Berlin; 1926/27 Red. der Ztschr. »Junge Garde«; 1927/28 Mitarb. der KJI in Moskau; 1928 Mitgl. des ZK des KJVD, Sekr. für Gewerkschaftsfragen in Berlin; 1929 Vors. des KJVD u. Mitgl. des ZK der KPD; ab 1931 zum EKKI delegiert; 1932 als Anhänger des »Abweichlers« Heinz Neumann aller Funktionen enthoben; nach Gorki verbannt, dort Arbeit in einem Automobilwerk; ab Febr. 1934 illeg. in Dtl.; ab Mai 1934 Pol.-Ltr. des KPD-Bez. Baden; Sept. 1934 in Weinheim verhaftet, 1934 U-Haft in Berlin-Moabit u. Kassel, wegen »Vorber. zum Hochverrat« zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt, 1934 – 39 Haft in Kassel-Wuhlheiden, 1940 – 45 KZ Sachsenhausen; organisierte mit  Fritz Selbmann, anschl. mit  Max Reimann u.  Ottomar Geschke die illeg. KPD-Arbeit; Mai 1945 aus dem Evakuierungstransport der SS geflohen.
1945 – 49 Mitgl. des PV der KPD bzw. SED; ab Dez. 1945 Pol.-Ltr. bzw. Vors. der KPD Niedersachsen; 1946 – 48 Abg. des Landtags Niedersachsen; 1948/49 stellv. KPD-Vors. für die Westzonen; 1949/50 Vors. der KPD u. Abg. des Dt. Bundestags; März 1950 von  Richard Stahlmann in die DDR gelockt u. am 22.3.1950 in Berlin (Ost) verhaftet, U-Haft im MfS-Gefängnis Schumann-Str. u. Berlin-Hohenschönhausen; von  Erich Mielke verhört, psychische Folterungen; er war für den »dt. László-Rajk-Prozeß« vorgesehen, blieb jedoch in den Verhören gegenüber den konstruierten Anklagepunkten (Agententätigkeit für eine fremde Macht, Mordanschläge gegen Jossif W. Stalin u. a.) zunächst standhaft; am 23.8.1950 wurde er den sowj. Behörden übergeben, die ihn weitere zweieinhalb Jahre verhörten; am 18.3. 1953 durch ein administratives »Fernurteil« aus Moskau zu 25 Jahren Haft wegen »Terrors, Spionage, Sabotage, Gruppenbildung u. terrorist. Tätigkeit« verurteilt; anschl. in das sowj. Straflager Wladimir deportiert; Okt. 1955 Ankunft mit einem Transport dt. Kriegsgefangener im Notaufnahmelager Friedland; 1957 SPD; 1958/59 Mitarb. des Inst. für Asienkunde; 1959/60 Mitarb. der Studienges. für wirtschaftl. Entw.; 1960 – 85 wiss. Mitarb. des Forschungsinst. der »Friedrich-Ebert-Stiftung«, dort Ltr. der Abt. Außenpol. u. DDR-Forschung; 1985 Ruhestand; 1990 durch die PDS rehabil.

Publ.
Ein hist. Dokument aus dem Jahre 1956. Brief an den DDR-Min.-Präs. Otto Grotewohl. In: Aus Politik u. Zeitgeschichte 9.3.1990.
Sek.-Lit.
Lindemann, H.: Pol. Häftling bei Hitler u. Stalin. Zum Tode von K. M., ehem. zweiter Vors. der KPD. In: FAZ 6.9.1990; Dowe, D.: K. M. (1903 – 1990) zum Gedenken. Bonn 1991; Weinke, A.: Der Justizfall K. M. u. seine Bedeutung für die kommunist. Parteisäuberungswelle im geteilten Dtl. In: Ztschr. für Geschichtswiss. (1997) 4.
BRB

Biographische Angaben aus dem Handbuch der Deutschen Kommunisten:

Am 13. Dezember 1903 in Berlin geboren, entstammte einer Arbeiterfamilie; lernte Werkzeugmacher. Er trat im Februar 1919 der FSJ und 1920 der KPD bei, der auch seine Schwester angehörte. Kurt Müller, von seinen Freunden seit den zwanziger Jahren »Kutschi« genannt, wurde Funktionär der kommunistischen Jugend (KJD) in Berlin. Er arbeitete zunächst ehrenamtlich, bis 1922 Gruppenleiter in der Rosenthaler Vorstadt, 1923/24 UB-Leiter Berlin-Mitte und gehörte von 1924 bis 1926 der KJVD-BL Berlin an. 1926 entsandte ihn das ZK des KJVD als Instrukteur nach England, anschließend kam er als Sekretär in die Gewerkschaftsabteilung des Exekutivkomitees der KJI in Moskau. Zurückgekehrt nach Deutschland, war er 1926/27 Redakteur der Zeitung »Junge Garde« und 1928 Mitglied der Zentrale des KJVD. Mitte 1929 wurde Kurt Müller Vorsitzender dieser kommunistischen Organisation (als Nachfolger Walter Häbichs) und ins ZK sowie mit beratender Stimme ins Polbüro der KPD aufgenommen. Als Mitglied des Präsidiums des Exekutivkomitees der KJI wurde er vom XI. EKKI-Plenum 1931 auch zum Kandidaten des EKKI-Präsidiums gewählt. Im Sommer 1931 nach Moskau ins Jugend-EKKI versetzt, dort verantwortlich für chinesische Fragen. Als Anhänger Heinz Neumanns 1932 auf dem XII. Plenum des EKKI der KI aller Funktionen enthoben und dem ZK der KPdSU(B) überwiesen, wurde er als Arbeiter ins Autowerk Gorki verschickt. In der KPD hieß es offiziell, damit sei ein Schlußstrich gezogen »unter die Auseinandersetzungen der parteifeindlichen Gruppe der Gen. Neumann, Kurt Müller usw., die versucht hatten, den Jugendverband in einen Gegensatz zur Linie und Führung der Partei zu bringen«.
Nachdem Müller im Februar 1934 wieder dem deutschen ZK übergeben wurde, kehrte er nach Deutschland zurück und leitete die illegale Arbeit der KPD in Südwestdeutschland mit Sitz in Mannheim. Im September 1934 in Weinheim durch Verrat des ehemaligen kommunistischen Reichstagsabgeordneten Nikolaus Thielen verhaftet. Zunächst nach Berlin-Moabit überführt, saß er von Oktober bis Dezember 1934 im Untersuchungsgefängnis Kassel. Zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Kassel verbüßte, kam er 1940 ins KZ Sachsenhausen, wo er bis 1945 gefangengehalten wurde. 1945 ließ sich Müller in Hannover nieder, wurde Vorsitzender der KPD in Niedersachsen und Mitglied des Niedersächsischen Landtags. Im April 1948 stellvertretender Vorsitzender der KPD in Westdeutschland und im September 1949 in den ersten Deutschen Bundestag gewählt.
Am 22. März 1950 zum ZK der SED nach Ost-Berlin geladen, wurde Kurt Müller dort unter dem Vorwand, er müsse zu einer Besprechung nach Karlshorst, vom MfS festgenommen. Er kam als erster führender Kommunist bis März 1953 ins MfS-Untersuchungsgefängnis in Hohenschönhausen und sollte für einen DDR-Schauprozeß »präpariert« werden. Offiziell erklärte die KPD und SED, Müller sei als »Agent entlarvt« worden, er habe mit dem Ostbüro der SPD zusammengearbeitet, sei für die Engländer tätig gewesen; es wurden also die üblichen stalinistischen Vorwürfe erhoben. Schließlich durch ein sowjetisches Fernurteil zu 25 Jahren Haft verurteilt und in die Sowjetunion überführt, war er von April 1953 bis Oktober 1955 in Wladimir inhaftiert.
Im Oktober 1955 konnte Kurt Müller (im Zusammenhang mit der Freilassung deutscher Kriegsgefangener) in die Bundesrepublik zurückkehren, wurde 1957 Mitglied der SPD und war von 1960 bis 1985 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Leiter der Abteilung Außenpolitik und DDR-Forschung. Ein Brief Kurt Müllers aus dem Jahre 1956 an den DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl wurde im August 1990 erstmals in »Aus Politik und Zeitgeschichte«, der Beilage der Wochenzeitung »Das Parlament«, veröffentlicht. Darin beschrieb er nicht nur die unmenschlichen Verhöre durch den damaligen MfS-Staatssekretär Erich Mielke, sondern forderte auch seine öffentliche Rehabilitierung und die strafrechtliche Verfolgung der Schuldigen in der DDR. Auf sein Schreiben von 1956 hat Müller nie eine Antwort erhalten. Kein Wunder, denn in Ost-Berlin war der von ihm Beschuldigte Erich Mielke schon 1957 zum Minister für Staatssicherheit aufgestiegen, und gehörte noch bis November 1989 dem Politbüro der SED an. Kurt Müller starb am 21. August 1990 in Konstanz.

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