Biographische Angaben aus dem Handbuch "Wer war wer in der DDR?":

Geb. in Leipzig; Vater Schmied, Mutter Köchin u. Wäscherin; Volksschule; 1905 – 09 Ausbildung zum Schriftsetzer, 1909 – 13 im Beruf tätig, Wanderschaft durch mehrere europ. Länder; 1907 – 19 Soz. Jugend Leipzig; 1908 Ltr. der Leipziger SJ-Gruppe, der auch  Walter Ulbricht angehörte; 1908 – 16 SPD; 1913 – 18 Militärdienst, Uffz.; 1916 – 20 USPD, Mitgl. deren ZL; Nov. 1918 Leipziger Arbeiter u. Soldatenrat; Nov. 1918/19 Red. »Leipziger Volksztg.«; 1919 »Schutzhaft« Festung Königstein; 1920 – 29 KPD, 1920 Mitgl. der BL u. des ZK; 1920/21 Red. des »Sozialdemokraten« / später umbenannt in »Kommunist« (Stuttgart), 1921/22 Chefred. u. 1924 – 26 Red. der »Roten Fahne« (Berlin); 1921 – 30 RH; 1922 – 24 u. 1926 – 29 Red.-Ltr. der »Sächs. Arbeiterztg.« (Leipzig), Mitgl. der erw. KI-Exekutive; 1922 – 29 Abg. des sächs. Landtags, KPD-Fraktionsvors.; Okt. 1923 kurzz. Finanzminister in Sachsen; verlor ab 1924 als Vertreter der »Rechten« in der KPD an Einfluß; ab Jan. 1928 erneut Chefred. der »Sächs. Arbeiterztg.«, Nov 1928 entlassen; Jan. 1929 mit der »Brandler-Gruppe« aus der KPD ausgeschl.; 1929 – 34 KPO, Pol.-Sekr. der KPO-BL Westsachsen; 1930 Red. der KPO-Ztg. »Arbeiterpol.« (Leipzig) u. 1931 in Berlin; Febr. 1933 Emigr. in die Schweiz; Juni 1934 wg. polit. Betätigung ausgewiesen; 1934 – 44 illeg. in Genf; 1934 KPdSU; 1934 – 44 Mitarb. des sowj. militär. Nachrichtendienstes GRU (»Paul«), gehörte zur »Roten Drei« (GRU-Residentur von Sándor Radó, Rachel Dübendorfer); 1940 »Spezialarbeit« in Frankreich; ab 1940 erneut in Genf, 1941 u. 1944 abermals aus der Schweiz ausgewiesen; verhaftet u. wegen Spionage angeklagt, U-Haft in Genf, 1944/45 Zwangsarbeitslager Siehen/ Eggiwill (b. Bern), Juli 1944 Flucht nach Frankreich; 1944/45 illeg. in der sowj. Botschaft in Paris.
Sept. 1945 Rückkehr nach Dtl., vergebl. Versuch durch W. Ulbricht, B. von der GRU zu entpflichten; Okt. 1945 von einem Schweizer Militärgericht in Abwesenheit zu 2 Jahren Gefängnis, Geldstrafe u. 15 Jahren Ausweisung aus der Schweiz verurteilt; 23.2.1946 mit Rachel Dübendorfer von Berlin in die UdSSR gebracht, verhaftet u. am 12.2.1947 zus. mit Leopold Trepper ohne Verhandlung zu zehn Jahren Lager wegen »passiver Spionage« verurteilt; 1947 – 56 Haft in über 40 Lagern u. Gefängnissen des GULag; März 1956 Rückkehr nach Dtl.; rehabil.; OdF; Sept. 1956 parteiintern rehabil.; 1956 Red., dann bis 1974 stellv. Chefred. der »Leipziger Volksztg.«; 1957/58 Abenduniv.; 1958 Medaille für Teiln. an den bewaffneten Kämpfen 1918 – 23; Medaille für Kämpfer gegen den Fasch.; VVO; 1960 Mitgl. der BL der Pionierorg. u. des VDJ-BV Leipzig; Auftritte auf zahlr. Jugendforen als Widerstandskämpfer; Mitarb. des IML; 1965 KMO; 1970 Erinnerungszeichen »20 Jahre Min. für Staatssicherheit der DDR«; Orden des Großen Vaterländischen Krieges; 1971 VVO; 1974 Rentner; gest. in Leipzig.

Sek.-Lit.
Radó, A.: Dora meldet. Berlin 1974; Sudholt, G.: Das Geheimnis der Roten Kapelle. Leoni 1978.
BRB

Biographische Angaben aus dem Handbuch der Deutschen Kommunisten:

(* 1891 – † 1975)
Geboren am 2. Mai 1891 in Leipzig, Sohn eines Schmieds; gelernter Schriftsetzer. 1907 trat er in die sozialistische Jugendbewegung ein, leitete 1908 als Vorsitzender die Leipziger Gruppe dieser Organisation (der auch Walter Ulbricht angehörte) und wurde 1908 Mitglied der SPD. Nach der Lehre von 1909 bis 1913 arbeitete er als Setzer und bereiste als Wandergeselle Europa. 1914 hauptamtlicher Jugendsekretär der Gewerkschaft. Böttcher stand auf dem linken Flügel der SPD und schloß sich 1917 der USPD an. Im November 1918 Redakteur der »Leipziger Volkszeitung«, 1920 übersiedelte er nach Stuttgart und wurde Chefredakteur des »Sozialdemokraten« (Organ der linken USPD – nach dem Zusammenschluß mit der KPD in »Kommunist« umbenannt). Delegierter des Spaltungsparteitages der USPD im Oktober und des Vereinigungsparteitages mit der KPD im Dezember 1920, dort in den ZA der VKPD gewählt. Ab Februar 1921 Chefredakteur des Zentralorgans der KPD »Die Rote Fahne«. Auf dem VII. Parteitag 1921 als Mitglied in die Zentrale der KPD berufen, übernahm Böttcher im Oktober 1921 die Redaktion des »Roten Kuriers« bzw. 1922/23 der »Sächsischen Arbeiterzeitung« in Leipzig, im November 1922 wurde er Abgeordneter im Sächsischen Landtag. Zeitweilig jedoch wieder in die Zentrale beordert, bis er 1923 Vorsitzender der Sächsischen Landtagsfraktion und Leiter des Bezirks Westsachsen wurde. Auch der VIII. Parteitag 1923 wählte ihn in die Zentrale. Im Oktober 1923 vertrat er die KPD als Finanzminister in der sächsischen Regierung unter Erich Zeigner. Böttcher war Mitglied des Erweiterten EKKI. Als prominenter Vertreter der Rechten in der KPD verlor er nach dem IX. Parteitag 1924 seine Funktionen, blieb aber einer der Wortführer der rechten Opposition und weiterhin Mitglied und Sekretär der KPD-Fraktion im Landtag von Sachsen. Ab 1924 Redakteur der von der RGI in Berlin herausgegebenen Zeitschrift »Der Metallarbeiter«, arbeitete dann bis 1926 als Redakteur an der »Roten Fahne«. Zwar auf dem XI.Parteitag 1927 wegen des Widerstands der Leipziger Linken nicht ins ZK gewählt, aber bis 1928 sowohl Vorsitzender der sächsischen Landtagsfraktion als auch Mitglied der BL Westsachsen. Ab Januar 1928 erneut Chefredakteur der »Sächsischen Arbeiterzeitung« in Leipzig, kündigte ihm die KPD als »führendem Rechten« am 7.November 1928. Noch am gleichen Tag brachte die sozialdemokratische »Leipziger Volkszeitung« den Artikel: »Bravo Paul«, mit einem Briefauszug von Clara Zetkin an Paul Böttcher, die ihn in seinem Kampf gegen Ernst Thälmann unterstützte. Am 4. Januar 1929 aus der KPD ausgeschlossen, gehörte er bis 1933 zur Führung der KPO. Er war Polsekretär der KPO-BL Westsachsen, Mitglied der Reichsleitung der KPO und vorübergehend Redakteur ihres Organs »Arbeiterpolitik«. Böttcher emigrierte am 28.Februar 1933 nach Schaffhausen, einer Hochburg der Schweizer KPO unter Walther Bringolf. Schon im Juni 1934 wegen politischer Betätigung ausgewiesen, lebte er aber bis 1944 illegal in Genf. Dort war Böttcher Journalist, unter Sándor Radó aber auch für den sowjetischen Nachrichtendienst GRU (dem er wahrscheinlich schon seit 1927 angehört hatte) tätig. Am 12.April 1944 von der schweizerischen Bundespolizei verhaftet, konnte er im Juli 1945 aus dem Gefängnis Siewen nach Paris flüchten. In der Schweiz wurde er in Abwesenheit (am 23.Oktober 1945) zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Böttcher kehrte im September 1945 nach Deutschland zurück. In Berlin bat er Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck sich dafür einzusetzen, ihn von der Arbeit für den sowjetischen Nachrichtendienst zu entbinden. Doch wurde er zusammen mit Sándor Radó und dessen Frau, angeblich zur Klärung seiner Arbeit in der Schweiz, am 23. Februar 1946 vom Flugplatz Berlin-Schönefeld nach Moskau geflogen. Dort sofort verhaftet und am 12. Februar 1947 mit Leopold Trepper, dem »Grand Chef der Roten Kapelle« u. a. ohne Gerichtsverhandlung wegen »passiver Spionage« zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt, die er im Gulag verbringen mußte. Als Schwerkranker durfte Böttcher im März 1956 nach Ost-Berlin und dann zu seiner Familie nach Leipzig. Hier im September 1956 »rehabilitiert« und in die SED aufgenommen. Noch 1956 zum stellvertretenden Chefredakteur der »Leipziger Volkszeitung« berufen, blieb er bis 1974 in dieser Funktion. Doch seine frühere Zugehörigkeit zur KPO sowie seine lange Haft in der Sowjetunion wurden in offiziellen Verlautbarungen unterschlagen. Böttcher erhielt 1966 den Karl-Marx-Orden. Er hatte etliche Broschüren veröffentlicht, darunter 1927 »Der Arbeiter-Korrespondent«. Paul Herbert Böttcher starb am 17. Februar 1975.

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