Am 4. Juni 1990, ein Jahr nach dem Massaker auf dem Tian’anmen-Platz, versammelten sich rund 2.000 Studenten auf dem Gelände der Universität Peking zu einer stillen Gedenkveranstaltung. Es war der Versuch, würdevoll an die Opfer der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste von 1989 zu erinnern – trotz Überwachung, Einschüchterung und drohender Repression. Öffentliche Gedenkaktionen auf dem Platz des Himmlischen Friedens selbst wurden bereits damals durch die Staatsmacht verhindert. Die Versammlung auf dem Universitätsgelände blieb die erste und zugleich letzte größere Gedenkkundgebung in China.
Am 4. Juni 1989 hatte die chinesische Volksarmee eine breite Protestbewegung auf dem Tian’anmen-Platz in Peking mit brutaler Gewalt niedergeschlagen. Über Wochen hinweg hatten dort zehntausende Menschen, insbesondere Studierende und Intellektuelle, für politische Reformen, Meinungsfreiheit und Demokratie demonstriert. Am 4. Juni rollten Panzer über den Platz, Soldaten eröffneten das Feuer auf unbewaffnete Zivilisten. Die genaue Zahl der Todesopfer ist bis heute unbekannt; unabhängige Schätzungen sprechen von mehreren Hundert bis mehreren Tausend Toten.
Die chinesische Regierung hat seither jede Form des öffentlichen Gedenkens an das Massaker systematisch unterdrückt. Zensur, Repression und Überwachung verhindern bis heute die Auseinandersetzung mit dem Ereignis im eigenen Land. Begriffe wie „Tian’anmen“ oder „4. Juni“ sind in chinesischen Netzwerken blockiert, private Gespräche über das Geschehen gelten als politisch riskant.
„Erinnerung ist nicht beliebig – sie ist eine Verpflichtung gegenüber jenen, die für Freiheit und Menschenrechte ihr Leben riskiert haben“, betont Dr. Anna Kaminsky, Direktorin der Bundesstiftung Aufarbeitung. „Wer heute das Schweigen durchbricht, ehrt den Mut derer, die vor 35 Jahren still protestierten – inmitten eines repressiven Staates.“