Vor 75 Jahren, vom 21. April bis zum 29. Juni 1950, fanden im sächsischen Waldheim die sogenannten Waldheimer Prozesse statt. Diese Prozesse wurden im Zuge der Auflösung der sowjetischen Speziallager durchgeführt und stehen bis heute als Symbol für die Willkürjustiz der DDR.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs richtete die sowjetische Besatzungsmacht in Deutschland zehn sogenannte Speziallager ein, um ehemalige NS-Funktionäre, tatsächliche oder vermeintliche Gegner des neuen Regimes sowie andere als gefährlich eingestufte Personen zu internieren. Eines der bekanntesten war das Speziallager Nr. 2 auf dem Gelände des ehemaligen KZ Buchenwald, das von 1945 bis 1950 bestand. In dieser Zeit wurden insgesamt 157.837 Menschen in den Speziallagern registriert, darunter 122.671 Deutsche, 34.706 sowjetische Staatsangehörige und 460 Personen anderer Nationalitäten. Neuere Schätzungen gehen von bis zu 176.000 Internierten aus. Die Haftbedingungen waren katastrophal; rund 35 Prozent der Häftlinge überlebten die Lager nicht und starben an Hunger, Kälte, Misshandlungen oder schlechten hygienischen Bedingungen.
Im Januar 1950 entschied die sowjetische Führung, die verbliebenen Speziallager aufzulösen. Dabei wurden etwa 10.000 bis 15.000 Inhaftierte an die DDR-Justiz übergeben, die Mehrheit ohne vorherige Anklage oder rechtsstaatliches Verfahren. Um diese übergebenen Häftlinge juristisch zu erfassen, wurden im Zuchthaus Waldheim zwischen April und Juni 1950 Schnellverfahren durchgeführt. Insgesamt wurden rund 3.400 Personen verurteilt, wobei die Verfahren oft nur wenige Minuten dauerten. Die Angeklagten hatten keinen Zugang zu Verteidigern, und die Urteile standen meist schon vor Prozessbeginn fest. Es gab keine Freisprüche; die Strafen reichten von langjährigen Zuchthausstrafen bis hin zu Todesurteilen. Von 34 verhängten Todesurteilen wurden 24 im November vollstreckt.
Der 75. Jahrestag der Waldheimer Prozesse mahnt uns, sich mit den Mechanismen von Willkür und Unrecht auseinanderzusetzen und das Leid der Opfer anzuerkennen. Diese Lehren sind heute aktueller denn je, da autoritäre Regime wie in Russland und Belarus erneut zeigen, wie rechtsstaatliche Prinzipien in Justizsysteme zur Durchsetzung politischer Interessen ausgehebelt und missbraucht werden.
Ausführliche Informationen zu den Waldheimer Prozessen bietet das neue Dossier der Bundesstiftung Aufarbeitung. Es beleuchtet die historischen Hintergründe der Prozesse von 1950, ordnet die juristischen Rahmenbedingungen ein und stellt ergänzende Materialien zur Verfügung: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/dossiers/die-waldheimer-prozesse
Ergänzend finden sich in der Mediathek Dokumentationen und Interviews zu den Waldheimer Prozessen sowie deren politischen und juristischen Hintergründen: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/mediathek/die-waldheimer-prozesse-ein-dunkles-kapitel-der-ddr-justiz
Ein weiteres Dossier der Bundesstiftung beleuchtet die Geschichte der sowjetischen Speziallager, ihre Struktur sowie die Haftbedingungen und liefert damit den historischen Kontext: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/dossiers/sowjetische-speziallager-der-sbzddr