Als sich die Treuhandanstalt am 16. Juli 1990 auf Beschluss der DDR-Volkskammer konstituiert, entsteht auf dem Papier der größte Konzern der Welt: Rund 8.500 ehemals „volkseigene Betriebe“ der DDR mit mehr als vier Millionen Beschäftigten übernimmt die Gesellschaft als neue Eigentümerin. Die Aufgabe der Treuhand besteht darin, die Planwirtschaft der DDR in marktwirtschaftliche Strukturen zu überführen.

Die Einrichtung der Treuhand und ihre Arbeit werden von Beginn an kontrovers diskutiert. Da viele Kombinate und Betriebe nicht saniert werden können und Absatzmärkte einbrechen, explodieren die Arbeitslosenzahlen in Ostdeutschland. Neben vielen gelungenen Privatisierungen und Anpassungen an die Marktwirtschaft gibt es immer wieder auch Fälle von „Glücksrittertum“, Unregelmäßigkeiten und kriminellen Akten. Diese führen 1994 zu einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, in dem die Arbeit der Treuhand untersucht wird.

Mehr als 30 Jahre danach sei es an der Zeit, jenseits von Schwarz-Weiß-Bildern eine differenzierte Bilanz der Treuhand zu ziehen, sagt die Direktorin der Bundesstiftung Aufarbeitung Anna Kaminsky: „Für die einen war und ist die Treuhand DAS Feindbild schlechthin und Synonym für alles, was bei der deutschen Einheit schiefgelaufen ist, verantwortlich für die ‚Abwicklung‘ des Ostens. Auf der anderen Seite stehen Erzählungen einer alternativlosen Erfolgsgeschichte, die in der Rückschau ebenso wenig haltbar sind.“

Die zeithistorische Aufarbeitung der Treuhandanstalt sowie der wirtschaftlichen und sozialen Folgen ihrer Tätigkeit hat mit dem Zugang zu den Akten im Bundesarchiv jüngst begonnen. Die Bundesstiftung Aufarbeitung unterstützt diesen Prozess im Rahmen des Schwerpunkts #RevolutionTransformation.

Einen guten Einstieg bieten sowohl die Dissertation als auch ein Essay des Historikers Marcus Böick zur Rezeption der Treuhand, das im Dossier „Fakten – Meinung – Mythen: Die DDR als Projektionsfläche“ mit zahlreichen weiterführenden Hinweisen zum Thema veröffentlicht ist:

https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/dossiers/fakten-meinung-mythen-die-ddr-als-projektionsflaeche/treuhand

Von Marcus Böick liegt zudem die von der Bundesstiftung mit herausgegebene Broschüre „Die Treuhandanstalt“ vor, die im Publikationsshop bezogen werden kann: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/publikationen/die-treuhandanstalt

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Zeitgeschichte München–Berlin (IfZ) konnten etwa 12 Kilometer Treuhandakten systematisch auswerten und zudem viele andere neue Quellen erschließen. Die Ergebnisse dieser intensiven Forschungen werden seit April 2022 in der elf Bände umfassenden Reihe „Studien zur Geschichte der Treuhandanstalt“ im Verlag Ch. Links veröffentlicht. Im Gespräch mit Anne Hähnig (Die Zeit) stellten die Historiker Max Trecker und Andreas Malycha die ersten Publikationen der neuen Studien am 27. April 2022 in der Bundesstiftung vor: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/mediathek/im-laboratorium-der-marktwirtschaft-neue-forschungen-zur-geschichte-der-treuhandanstalt

Weitere Studien stellten Historikerinnen und Historiker in der Vortragsreihe „Die überforderte Behörde. Neue Forschungen zur Treuhandanstalt“ der Bundesstiftung Aufarbeitung und des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin 2020 vor. Diese wurden nicht zuletzt durch die Freigabe der im Bundesarchiv befindlichen Treuhand-Akten ermöglicht:
https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/mediathek?term=die%20%C3%BCberforderte%20beh%C3%B6rde

Wie vielgestaltig die Arbeit der Treuhandanstalt betrachtet und diskutiert werden kann, zeigte die Online-Veranstaltung „Treuhand: Fakten – Meinung – Mythen“ vom 15. April 2021. In der Diskussion entwickelten die ehemalige Wirtschaftsministerin in Sachsen-Anhalt und heutige SPD-Bundestagsabgeordnete Katrin Budde, der DDR-Bürgerrechtler und ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Günter Nooke, der ehemalige Finanzminister in Sachsen-Anhalt Karl-Heinz Paqué sowie der Theologe Richard Schröder, 1990 SPD-Fraktionsvorsitzender in der DDR-Volkskammer ein differenziertes Bild des wirtschaftlichen Strukturwandels in Ostdeutschland:

https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/mediathek/treuhand-fakten-meinung-mythen

Im Portal „Aufbruch und Einheit. Die letzte DDR-Regierung“ sind Quellen zur Entstehung und Arbeit der Treuhandanstalt veröffentlicht, die durch Zeitzeugeninterviews mit politisch Verantwortlichen der Zeit ergänzt werden:

https://deutsche-einheit-1990.de/ministerien/ministerium-fuer-wirtschaft/treuhandgesetz-und-treuhandanstalt/