Mit der Forderung nach substantiellen Verbesserungen der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze ist der 23. Bundeskongress am 18. Mai 2019 in Berlin zu Ende gegangen. Der Kongress wird jährlich von den Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Folgen der kommunistischen Diktatur sowie der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur zusammen mit den Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen veranstaltet.

Im Rahmen des 23. Bundeskongresses haben die Veranstalter die Bundesregierung aufgefordert, den bisher vorliegenden Entwurf zur Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze zu überarbeiten. Das Bundeskabinett hat den von Bundesjustizministerin Katarina Barley vorgelegten Entwurf in den parlamentarischen Prozess eingebracht.

Die Veranstalter begrüßten ausdrücklich den Vorschlag, die Gesetze zu entfristen und damit Anträge von Betroffenen auf Rehabilitierung über das Jahr 2019 hinaus zu er-möglichen. Auch das Anliegen, die Rehabilitierung ehemaliger Heimkinder zu erleichtern, gehe in die richtige Richtung. Doch die dafür vorgeschlagenen Lösungen sind nicht ausreichend. Um Gerechtigkeitslücken zu schließen, müssten weitere Opfergruppen berücksichtigt werden, zum Beispiel verfolgte Schülerinnen und Schüler. Dringend notwendig sind auch Erleichterungen bei der Anerkennung von gesundheitlichen Schäden, die durch politische Verfolgung in der DDR verursacht wurden.

Am 17. und 18. Mai kamen 170 Akteure in Berlin zum 23. Bundeskongress zusammen, um sich über Gegenwart und Zukunft der Verfolgtenverbände und Aufarbeitungsinitiativen auszutauschen. 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution 1989 bilanzierten sie den Stand ihrer bisherigen Arbeit, richteten den Blick aber auch in die Zukunft. Diskutiert wurde zum Beispiel, wie es gelingen kann, nachkommende Generationen für die Aufklärung über die SED-Diktatur und den Umgang mit ihren Opfern zu interessieren.

Zur Eröffnung des Bundeskongresses würdigte die Berliner Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement, Sawsan Chebli, die „immense Bedeutung“ der Opfer- und Aufarbeitungsinitiativen bis heute: „Diese Verbände leisteten von Anfang an eine unverzichtbare Aufklärungsarbeit als Anlaufstelle, als Interessenvertretung und starke Stimme der Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft.“ Viele der aus den demokratischen Umwälzungen in der DDR hervorgegangenen Aufarbeitungsinitiativen seien inzwischen weltweit angesehene Einrichtungen, „die Menschen auch der jüngeren Gene-ration sehr anschaulich zeigen, was Kalter Krieg, kommunistische Diktatur und Unterdrückung bedeuteten“.

Tom Sello, Berliner Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der den diesjährigen Bundeskongress im Auftrag der Partner organisierte, merkte an, dass die Friedliche Revolution kein regionalgeschichtliches Ereignis war und die Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte nicht nur eine Sache ehemaliger DDR-Bewohner oder gar nur früherer Regimegegner ist: Aufarbeitung der SED-Diktatur geht unser ganzes Land an.“
Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Präsidentin der einzigen frei gewählten Volkskammer und Bundesministerin a. D., erinnerte in ihrem Festvortrag daran, dass zivilgesellschaftliches Handeln in der DDR immer mit der Gefahr einhergegangen sei, inhaftiert oder staatlich verfolgt zu werden. Zugleich betonte sie: „Eine funktionierende Zivilgesellschaft ist bis heute Seismograph politischer Entwicklungen. Sie warnt, mahnt, berät, bringt sich ein, macht Vorschläge oder ermöglicht die Diskussion. Es kann nur im ureigenen Interesse der Demokratie sein, diese Zivilgesellschaft zu stärken.“

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller bedankte sich bei den Akteuren mit einem Empfang.

Mit einer Gedenkveranstaltung in Teltow an der Gedenkstele für Klaus Garten, der 1965 bei einem Fluchtversuch von einem DDR-Grenzposten an der Berliner Mauer erschossen wurde, endete der Bundeskongress.