Jörn Reißig, Rockkonzert, Radrennbahn Berlin Weißensee, 1989, Nachlass Jörn Reißig, BrotfabrikGalerie und Rechtsnachfolger
Jörn Reißig, Rockkonzert, Radrennbahn Berlin Weißensee, 1989, Nachlass Jörn Reißig, BrotfabrikGalerie und Rechtsnachfolger

Das Ziel des Projekts war es, den Nachlass des Berliner Fotografen Jörn Reißig (1958–1997) zu erschließen und zu digitalisieren und eine Ausstellung zu präsentieren. Der Nachlass besteht aus fotografischen Dokumenten, literarischen und politischen Texten und bildet eine wertvolle Quelle für die zeithistorische Forschung und die Vermittlung der Umbruchs- und Transformationszeit im Ost-Berlin der 1980er und 1990er Jahre.

Jörn Reißig steht als Staatsbürger, als Fotograf und Psychiatriepatient exemplarisch für den innerlichen und äußerlichen Überlebenskampf eines „gewöhnlichen“ Chronisten dieser Jahre. Er steht mit den Koordinaten seiner Biografie als Einzelschicksal für eine „stille“, aber nicht sprachlose Mehrheit, die die Gesellschaft der DDR in Form von alltäglichen Repressalien, Vorschriften und Zwängen erlebt und sich einen eigenen Weg innerhalb der gesellschaftspolitischen Realität gebahnt hat.

Schwarzweiß-Fotografie der Berliner Mauer. Davor steht ein Fahrrad und eine Person. Auf der Mauer steht "Dany aus München 19.06.90"
Jörn Reißig, Berlin, 12.07.1990, Nachlass Jörn Reißig, BrotfabrikGalerie und Rechtsnachfolger

Entgegen dem offiziellen Selbstverständnis eines jungen Menschen im Sozialismus als Pionier, FDJler und angehender Ingenieur und später als aufgeklärter Staatsbürger versuchte er mit seinen Bildern kritisch auf die Widersprüche der sozialistischen Lebensweise und die sozialen Widersprüche der neu entstandenen Gesellschaft zu verweisen. Seine Schwarzweiß-Fotografien städtischer (Leer)Räume Berlins sind von außerordentlicher Qualität und Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses. Die vollständige Erschließung des Nachlasses zeigte, dass er auch in anderen Bereichen wie Porträts, Demonstrationen, Botschaften im öffentlichen Raum und der Berliner Hausbesetzerszene entdeckenswerte Fotografien hinterlassen hat.

Die 2020 gezeigte Ausstellung „Wenn die Unruhe zu groß wird. Jörn Reißig. Fotografien 1980 – 1990“ in der BrotfabrikGalerietemporär im BrotfabrikKulturwagen, in den Schaufenstern der BrotfabrikKneipe und in den Schaufenstern des Restaurant März (16. Oktober 2020 – 31. Januar 2021) erfreute sich hoher Publikumsresonanz und war ein weiterer Schritt, sein bisher kaum öffentlich gezeigtes Gesamtwerk zu entdecken.

 

Weiterführende Information:

www.brotfabrik-berlin.de