
Krzyżowa/Kreisau
Krzyżowa 7
58112 Grodziszcze
Gedenkstättenkonferenz Kreisau 2025
Bilder, Macht und Deutungskämpfe in Europa zwischen 1945, 1990 und 2025
Das ost-west-europäische Gedenkstättentreffen in Kreisau beschäftigt sich im Jahr 2025 mit dem historischen Bildgedächtnis in Verbindung mit den historischen Zäsuren „80 Jahre Kriegsende“ und „35 Jahre Zusammenbruch der kommunistischen Staaten“.
Im Fokus der Tagung steht die Frage, wie der Einsatz und die Rezeption von Fotografien und Bildern die Erinnerung an historische Ereignisse in Ost- und Westeuropa prägten. Wie wurden sie vor und nach 1990 in Gedenkstätten, Museen, Dokumentationszentren und Ausstellungen eingesetzt? Wie werden sie heute genutzt? Ziel ist eine Standortbestimmung: Wie steht es um das historische Bildgedächtnis in Wechselwirkung zu diesen Zäsuren heute? Was änderte sich mit den Epochenbrüchen für den Einsatz von Bildern und damit verbundenen Narrativen, die sich um die Themenkomplexe „Massenverbrechen“, „Lager“, „Besatzungsregime“ und Gesten der „Versöhnung“ formiert haben? Was veränderte sich seit dem Visual Turn in den Nullerjahren für den Umgang mit Bildern, und welche Folgen hat die digitale Transformation, insbesondere der Einsatz von KI, für den Einsatz von Fotos und Bildern heute?
Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist eng mit dem Bildgedächtnis verknüpft. Während sich in den westlichen Ländern Europas nach 1945 die Möglichkeit eines demokratischen Neuanfangs eröffnete, gerieten die Staaten Osteuropas unter den Einfluss sowjetisch gestützter Besatzungsregime, die neue autoritäre Diktaturen errichteten. Das führte teilweise zu gegenläufigen Gedächtnissen.
Während des Kalten Krieges prägte die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen das kollektive Gedächtnis sowohl in West- als auch in Osteuropa. Bild-, Film- und Fotomaterial wurden auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs als Beweismaterial in juristischen Prozessen eingesetzt. Diese Form der Aufarbeitung führte einerseits zu einer Vielzahl neuer Erkenntnisse über die nationalsozialistischen Massenverbrechen. Andererseits wurde die juristische Auseinandersetzung von den jeweiligen politischen Interessen überlagert und das Bildmaterial für Propaganda instrumentalisiert.
Die stalinistischen Verbrechen hingegen blieben bis in die 1990er Jahre weitgehend unbearbeitet. Im Gegensatz zu den nationalsozialistischen Verbrechenskomplexen existiert hier kaum eine fotografische Überlieferung. Als Bündnispartner der westlichen Alliierten erschien die Sowjetunion weiterhin als Sieger im „Großen Vaterländischen Krieg“. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Stalinismus wurde erschwert.
Zugleich traten Gesten der Versöhnung, oft widerstreitend zu den offiziellen Narrativen, in den Vordergrund und warfen immer wieder Fragen nach der historischen Deutung auf. Zivilgesellschaftliche Initiativen und die wachsende Rolle von Zeitzeugen als Akteuren leisteten ab den späten 1970er Jahren einen wesentlichen Beitrag zur historischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen und trugen zur Diversifizierung des Gedenkens bei.
Erst die tiefgreifenden politischen Umbrüche der 1990er Jahre, die das Ende des Kalten Krieges markierten, eröffneten Zugang zu historischen Quellen und ermöglichten sowohl neue Perspektiven auf die nationalsozialistischen Verbrechen als auch auf die Verbrechen des Stalinismus. Dies führte zu intensiven Deutungskämpfen, die sich um die Anerkennung der Opfer und die Aufarbeitung konkurrierender Erinnerungskomplexe drehten. 35 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges sind die Deutungskämpfe selbst Gegenstand historischer Reflexion. In einer Ära des Digitalen, in der Zeitzeugenberichte abnehmen und analoge Dokumente dem Verfall preisgegeben sind, erscheint die Auseinandersetzung mit der visuellen Geschichte des Rasse- und Vernichtungskriegs der Wehrmacht und des Holocaust sowie der Umgang mit der Abwesenheit von Bildmaterial im Fall der stalinistischen Verbrechen umso notwendiger. Gerade dann, wenn Bilder von nationalsozialistischen Verbrechen neuerdings als Kriegspropaganda eingesetzt und stalinistische Gewalt verharmlost werden.
Ziel der Tagung ist es, Museen und Gedenkstätten in Europa und weltweit eine Plattform zum Austausch über diese Themen zu bieten, die Vernetzung untereinander zu fördern und eine kritische Reflexion über die Gestaltung demokratischer Erinnerungskulturen zu ermöglichen. Wir laden Fachleute und Multiplikatoren ein, an den Diskussionen teilzunehmen, und freuen uns auf einen anregenden und produktiven Dialog.
Kreisau Memorial Conference 2025
“Focus on Memory: Images, Power and Conflicts of Interpretation in Europe between 1945, 1990 and 2025”
The Kreisau 2025 Memorial Conference focuses on historical image memory in relation to the historical turning points of “80 years since the end of WWII” and “35 years since the collapse of the communist states”. The conference will focus on how the use and reception of photographs and images have shaped the memory of historical events in Eastern and Western Europe. How have they been used in memorials, museums, documentation centers and exhibitions before and after 1990? How are they used today? The aim is to take stock: How does the historical memory of images interact with these turning points today? What changed with the historical breaks in the use of images and the narratives that developed around the themes of “mass crimes,” “camps,” “occupation regimes,” and “gestures of reconciliation”? How has the treatment of images changed since the “visual turn” in the 2000s, and how has digital transformation, including the use of AI, affected the use of photographs and images today?
The memory of the Second World War is closely tied to the memory of images. While Western European countries had the opportunity for a democratic new beginning after 1945, the states of Eastern Europe came under the influence of Soviet-backed occupation regimes that established new authoritarian dictatorships.
During the Cold War, the legal processing of Nazi crimes shaped collective memory in both Western and Eastern Europe. Pictures, films, and photographic material were used as evidence in legal proceedings on both sides of the Iron Curtain. On the one hand, this kind of processing led to a multitude of new insights into Nazi mass crimes. On the other hand, the legal discourse was overshadowed by political interests, and the images were used for propaganda purposes.
In contrast, Stalinist crimes remained largely unresolved until the 1990s. In contrast to Nazi crimes, there is almost no photographic documentation of Stalinist atrocities. As an ally of the Western powers, the Soviet Union continued to be seen as the victor in the "Great Patriotic War. Critical engagement with Stalinist crimes was therefore difficult.
At the same time, gestures of reconciliation, often at odds with official narratives, came to the fore and repeatedly raised questions about historical interpretation. Since the late 1970s, civil society initiatives and the growing role of eyewitnesses have contributed significantly to the historical processing of Nazi crimes and the diversification of memory.
It was not until the profound political changes of the 1990s, which marked the end of the Cold War, that access to historical sources was opened up, allowing new perspectives on both Nazi and Stalinist crimes. This led to intense interpretative conflicts over the recognition of victims and the processing of competing memory complexes.
Thirty-five years after the end of the Cold War, these conflicts of interpretation have themselves become the subject of historical reflection.
In an era of digitalization, where eyewitness reports are decreasing and analog documents are subject to deterioration, dealing with the visual history of the Wehrmacht's racial and extermination war, the Holocaust, as well as the absence of images in the case of Stalinist crimes, has become even more crucial—especially when images of Nazi crimes are newly used as war propaganda and Stalinist violence is downplayed.
The goal of the conference is to provide museums and memorials across Europe and worldwide with a platform to exchange views on these topics, to promote networking among them, and to encourage critical reflection on shaping democratic cultures of memory. We invite experts and multipliers to participate in the discussions and look forward to a stimulating and productive dialogue.