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Tagung | Erfurt
Ort der Veranstaltung

Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße
Andreasstraße 37a
99084 Erfurt

Die aus dem interdisziplinären Forschungsfeld der Disability Studies entstandene Disability History hat in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, bislang wenig oder nicht beachtete, komplexe Geschichten von Menschen mit Behinderungen in den Blick zu nehmen und so neue Perspektiven auf historische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen zu gewinnen. 

Während der nationalsozialistische Massenmord an Kranken und Menschen mit Behinderungen relativ gut erforscht ist, steht die Forschung zum Umgang mit Behinderung in Deutschland und Europa nach 1945 noch relativ am Anfang. Erste sozial- und kulturgeschichtliche Studien zum Leben von Menschen mit Behinderungen in Westdeutschland, der DDR und anderen Staaten Ost- und Ostmitteleuropas unterstreichen die Notwendigkeit einer vergleichenden Betrachtung. 

Was hatte die Situation von Menschen mit Behinderungen im geteilten Deutschland mit anderen Ländern gemein? Worin unterschied sie sich? Diese Spezifika sollen auf der Tagung durch internationale sowie sozial-, kultur- und verflechtungsgeschichtliche Perspektiven auf die DDR und Westdeutschland herausgearbeitet werden. Die Konferenz lenkt den Blick auf unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche wie Bildung und Arbeit, Religion und Gesellschaft, Kunst und Kultur sowie gebaute Umwelt und Barrieren, die als Vergleichsfolie zwischen verschiedenen Ländern und politischen Systemen dienen können.

Obwohl Themen wie Inklusion und Barrierefreiheit in Bildungs- und Kulturinstitutionen in den vergangenen Jahren erfreulicherweise stärker in den Vordergrund gerückt sind, finden sich insbesondere in Dauerausstellungen zur deutschen Geschichte nach 1945 nur selten Erfahrungen und Perspektiven von Menschen mit Behinderungen. Ein weiteres Ziel der Tagung ist es daher, die Erkenntnisse aus der Disability History mit der praktischen Geschichtsvermittlung in zeithistorischen Museen, Gedenkstätten und Lernorten zu verknüpfen. 

Die Konferenz richtet sich insbesondere an Fachleute aus Wissenschaft, außerschulischer Bildung (Museen, Gedenkstätten und Lernorten) und Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen. 

Call for Papers

Wir freuen uns auf Beiträge, die sich mit dem Umgang mit Behinderung in historischer Perspektive nach 1945 beschäftigen und die einzelne oder mehrere Aspekte aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, Lebenssituationen und -entwürfen explizit aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen in den Blick nehmen:

  • Bildung & Arbeit: Die Integration vonMenschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt stand in den staatsozialistischen Ländern im Vordergrund. Wie aber sahen die (Aus-)Bildungsperspektiven und die Arbeit von Menschen mit Behinderungen in staatlichen Betrieben konkret aus? Und wo stießen sie an ihre Grenzen? 
  • Religion & Gesellschaft: Welchen Einfluss hatten Religionen und Weltanschauungen auf den Umgang mit Menschen mit Behinderungen in West- und Osteuropa? Welche Rolle wurde behinderten Menschen im Staatssozialismus zuerkannt? Und wie sah deren tatsächlicher Alltag in den staatsozialistischen Regimen aus? Wie unterschied sich etwa der Alltag von behinderten Menschen in westeuropäischen Ländern zu dem in der DDR in den 1970er- oder 1980er-Jahren? 
  • Kunst & Kultur: Welche Rolle nahmen Menschen mit Behinderungen in Kunst und Kultur ein? Wie gestaltete (und veränderte) sich die Repräsentanz von Menschen mit Behinderungen in Gesellschaft und Medien?
  • Gebaute Umwelt & Barrieren: Wann und wo entwickelten sich Ideen zum barrierefreien Bauen? Und wie wurden sie umgesetzt? Und ging mit der Idee einer barriereärmeren Umwelt eine allgemeine Veränderung im Umgang und der Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen einher?
  • Selbstbestimmung & Fremdzuschreibungen: Welche Vergemeinschaftungsformen von Menschen mit Behinderungen gab es in West- und Osteuropa und wie unterschieden sie sich je nach Zeit, Region und Behinderungsart? Wie organisierten sich Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige? Welche Selbstdefinitionen, Selbstorganisationen und Selbstermächtigungspraktiken fanden Betroffenencommunities? 

Darüber hinaus laden wir dazu ein, darüber nachzudenken, wie Erkenntnisse der Disability History gewinnbringend in die Geschichtsvermittlung von historischen Museen, Gedenkstätten und Lernorten der außerschulischen historisch-politischen Bildung integriert werden können. 

  • Welche Leerstellen der Disability History müssen hierfür geschlossen werden? Welche Methoden und Ideen haben sich als erfolgreich erwiesen? Welche Programme gilt es zu entwickeln? Und wie können Menschen mit Behinderungen von Beginn an in Konzeption und Umsetzung einbezogen werden?
     

Wir bitten darum, ein Kurzexposé (max. 2.500 Zeichen inkl. Leerzeichen auf Deutsch) des Themenvorschlages sowie einen kurzen Lebenslauf bis zum 30. November 2024 an barrierefrei@stiftung-ettersberg.de zu senden.  

Geplant ist eine interdisziplinäre Tagung, auf der sowohl Early Career Scientists als auch erfahrene Forschende und Expert*innen in eigener Sache zu Wort kommen sollen. Die Vorträge sollen 15 Minuten nicht überschreiten. Reisekosten, Übernachtungskosten und Verpflegung der Konferenzbeiträger*innen werden im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen und vorbehaltlich beantragter Mittel von den Veranstaltern übernommen.

Eine Publikation der Beiträge wird angestrebt.
 

Veranstalter
Bundesstiftung Aufarbeitung
Stiftung Ettersberg
Thema
inklusiv-interkulturell
Kontakt

Dr. Jenny Baumann/Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (j.baumann@bundesstiftung-aufarbeitung.de)

Dr. Christine Schoenmakers/Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (c.schoenmakers@bundesstiftung-aufarbeitung.de)

Dr. Katharina Schwinde/Stiftung Ettersberg (schwinde@stiftung-ettersberg.de)