Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Veranstaltungssaal
Kronenstraße 5
10117 Berlin
Ausgehend von der Frage, inwieweit die deutsche Nachkriegsgeschichte eine mythenfreie Zone bildet, zeichnet die Auftaktvorlesung die dreißigjährige Auseinandersetzung um die Deutungshoheit über den Umbruch von 1989/90 nach. Der Vortrag erörtert die Diskrepanz zwischen den ursprünglichen Intentionen und rückblickenden Interpretationen der damaligen Protagonisten, und er diskutiert die erinnerungskulturelle Verwandlung des „Wunders von 1989“ in ein folgerichtiges Geschehen. Auf dieser Grundlage sucht die Vorlesung eine Antwort auf die Frage, inwieweit die politische und systemische Umwälzung von 1989/90 auch eine geschichtskulturelle Zäsur im öffentlichen Umgang mit der Vergangenheit des 20. Jahrhunderts darstellt.
Ringvorlesung "1989 - (k)eine Zäsur?"
Vor 30 Jahren wurden die kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa überwunden. Seitdem steht die Chiffre »1989« für das Wunder der friedlichen Revolution und das Versprechen demokratischer Freiheiten. Tatsächlich hat der revolutionäre Aufbruch zwar umfassende politische und gesellschaftliche Umwälzungen bewirkt. Doch langfristig wurden damit in den Ländern des ehemaligen »Ostblocks« auch Entwicklungen angestoßen und Bewegungen mobilisiert, die die Werte und erkämpften Rechte von damals heute wieder in Frage stellen. Dabei schrecken ihre Vertreter nicht davor zurück, für ihre Anliegen auch mit einstigem Revolutions-Vokabular zu werben. Das Jubiläum bietet die Chance einer doppelten Neuvermessung. Die Ringvorlesung diskutiert erstens »1989« als Teil einer »langen Wende« von der geteilten Welt zum geeinten Europa und zweitens als Referenzpunkt gesellschaftlicher Krisenentwicklungen der Gegenwart. Damit eröffnet die Vortragsreihe neue Perspektiven auf das »Erbe von 1989« und eine Standortbestimmung sowohl der Berliner Republik als auch des heutigen Europas.
Referent
Prof. Dr. Martin Sabrow, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam