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Öffentlicher Vortrag | Berlin
Ort der Veranstaltung

Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Veranstaltungssaal
Kronenstraße 5
10117 Berlin

Nach dem Niedergang des Staatssozialismus in den Ländern Ost- und Ostmitteleuropas erwarteten viele, dass es zu einer Renaissance des Religiösen kommen werde. Und das mit guten Gründen. Die staatssozialistischen Systeme verfolgten über Jahrzehnte hinweg eine repressive Kirchenpolitik, der es darum ging, die Gläubigen von den Kirchen zu entfremden und die kirchlichen Handlungsmöglichkeiten einzuschränken. Viele Religionssoziologen nahmen daher an, Religion und Kirche würden nach dem Untergang des kirchenfeindlichen Systems an sozialer Signifikanz gewinnen. Tatsächlich ist die religiöse Situation in Ost- und Mittelosteuropa heute äußerst divers.

Neben Ländern wie Russland oder der Ukraine, in denen es zu einer Wiedergeburt des orthodoxen Christentums kam, stehen Länder wie Ostdeutschland, Tschechien oder Estland, die eher durch eine weitergehende Säkularisierung geprägt sind, aber auch Länder wie Polen oder Kroatien, in denen aufgrund der engen Verbindung von religiöser und nationaler Identität die Kirche nach wie vor eine starke gesellschaftliche Stellung besitzt. Der Vortrag zeichnet nicht nur charakteristische Linien der religiösen Entwicklung seit dem Zusammenbruch des Staatssozialismus nach, sondern fragt auch nach plausiblen Erklärungen für die diversen Verläufe. Dabei geht er darauf ein, welche Bedeutung Formen der Vermischung von Religion und Politik sowie von rechtspopulistischen Einstellungen und Religiosität zukommt, aber auch welchen Einfluss Prozesse der nachholenden Modernisierung auf das religiöse Feld ausüben.

Ringvorlesung "1989 - (k)eine Zäsur?"

Vor 30 Jahren wurden die kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa überwunden. Seitdem steht die Chiffre »1989« für das Wunder der friedlichen Revolution und das Versprechen demokratischer Freiheiten. Tatsächlich hat der revolutionäre Aufbruch zwar umfassende politische und gesellschaftliche Umwälzungen bewirkt. Doch langfristig wurden damit in den Ländern des ehemaligen »Ostblocks« auch Entwicklungen angestoßen und Bewegungen mobilisiert, die die Werte und erkämpften Rechte von damals heute wieder in Frage stellen. Dabei schrecken ihre Vertreter nicht davor zurück, für ihre Anliegen auch mit einstigem Revolutions-Vokabular zu werben. Das Jubiläum bietet die Chance einer doppelten Neuvermessung. Die Ringvorlesung diskutiert erstens »1989« als Teil einer »langen Wende« von der geteilten Welt zum geeinten Europa und zweitens als Referenzpunkt gesellschaftlicher Krisenentwicklungen der Gegenwart. Damit eröffnet die Vortragsreihe neue Perspektiven auf das »Erbe von 1989« und eine Standortbestimmung sowohl der Berliner Republik als auch des heutigen Europas.

Referent

Detlef Pollack | Münster

 
Veranstalter
Bundesstiftung Aufarbeitung
Lehrstuhl für Neueste und Zeitgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin
Stiftung Berliner Mauer
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Thema
Kirche
Ostmitteleuropa