Stiftung Berliner Mauer Besucherzentrum
Bernauer Str.119
13355 Berlin
Die Theaterlandschaften in der Bundesrepublik und in der DDR entwickelten sich nach 1949 unterschiedlich, blieben aber eng aufeinander bezogen. Beide Systeme knüpften an die seit dem 18. Jahrhundert gewachsenen Strukturen der deutschen Stadt- und Staatstheater an; beide wiesen dem Theater auf je eigene Weise einen zentralen Ort im öffentlichen Leben zu, der allerdings nicht ungefährdet blieb; und beide teilten zeitweise ein starkes Interesse an einem gesellschaftsbezogenen, ‚realistischen‘ Theater, ohne dieses Attribut allerdings in gleicher Weise zu definieren. Nicht wenige herausragende Theaterleute waren in beiden deutschen Staaten präsent. Trotz dieser Gemeinsamkeiten gestaltete sich das Zusammenwachsen der beiden Theaterlandschaften nach 1989 schwierig, wie sich am Beispiel Berlins markant zeigen lässt.
Die Monate vor und nach dem Mauerfall hinterließen bei den Theaterleuten auch deshalb tiefe Spuren, weil sich angesichts von Publikumsschwund und Legitimationszwängen einmal mehr die Frage stellte, ob Theaterspielen überhaupt einen Sinn hat, wenn die Ereignisse auf der Straße dramatischer erscheinen als auf der Bühne.
Der Vortrag fragt danach, wie sich die Umbrüche der Jahre 1989-90 im Berliner Theater spiegelten, welche Rolle der Theaterpraxis und ihren Akteuren im Berlin der Wendezeit zukam – und ob die Theater tatsächlich zu Bühnen der ‚friedlichen Revolution‘ werden konnten.
Ringvorlesung "1989 - (k)eine Zäsur?"
Vor 30 Jahren wurden die kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa überwunden. Seitdem steht die Chiffre »1989« für das Wunder der friedlichen Revolution und das Versprechen demokratischer Freiheiten. Tatsächlich hat der revolutionäre Aufbruch zwar umfassende politische und gesellschaftliche Umwälzungen bewirkt. Doch langfristig wurden damit in den Ländern des ehemaligen »Ostblocks« auch Entwicklungen angestoßen und Bewegungen mobilisiert, die die Werte und erkämpften Rechte von damals heute wieder in Frage stellen.
Dabei schrecken ihre Vertreter nicht davor zurück, für ihre Anliegen auch mit einstigem Revolutions-Vokabular zu werben. Das Jubiläum bietet die Chance einer doppelten Neuvermessung. Die Ringvorlesung diskutiert erstens »1989« als Teil einer »langen Wende« von der geteilten Welt zum geeinten Europa und zweitens als Referenzpunkt gesellschaftlicher Krisenentwicklungen der Gegenwart. Damit eröffnet die Vortragsreihe neue Perspektiven auf das »Erbe von 1989« und eine Standortbestimmung sowohl der Berliner Republik als auch des heutigen Europas.
Referent
Matthias Warstat | Berlin