Humboldt-Universität zu Berlin
Saal 007
Hausvogteiplatz 5-7
10117 Berlin
Der Zusammenbruch des "real existierenden Sozialismus" im östlichen Europa 1989/90 hat die politische Linke, soweit sie eine historische Alternative zum Kapitalismus zu repräsentieren beanspruchte, in eine tiefe Desorientierung gestürzt. Das gilt nicht nur für die Anhänger der besagten Ordnung, sondern auch für ihre grundsätzlichen Kritiker. Die verbreitete Desorientierung und Demoralisierung wurde wesentlich verstärkt durch die Erkenntnis, dass die Zeit der klassischen Arbeiterbewegung, sei es in Gestalt der tradierten Organisationen, sei es in Gestalt spontaner Kämpfe, vorbei war.
In Deutschland kamen bei einem Teil des Spektrums zudem diffuse Ängste vor einem "Vierten Reich" hinzu, während andere Segmente sich schnell auf die neue Situation einzustellen suchten, so auch die aus den Resten der SED hervorgegangene und diese rechtlich fortsetzende PDS, die sich - etliche Jahre erfolgreich - als Stimme des ostdeutschen Protests gegen die Verwerfungen im Gefolge der Einigung Deutschlands durch Beitritt der DDR etablieren konnte.
Inzwischen ist der soziale Protest rechtsaußen angesiedelt, genauer: wird er durch die Wahl rechter und rechtsextremer Listen artikuliert - und das nicht nur in Deutschland. Die kapitalismuskritische Linke ist angesichts dessen, jenseits der unterschiedlichen organisatorischen Bindungen, soziokulturell gespalten. Andererseits hat die automatische Identifikation antikapitalistischer Positionen mit dem Ostblocksystem nachgelassen.
Immer wieder entstehen seit der Jahrtausendwende, getragen von jüngeren Altersgruppen, neue soziale Bewegungen, so gegen die neoliberale Globalisierung, den Klimawandel u.a., während die relativ linken Parteien im Bundestag ihre über mehrere Legislaturperioden vorhandene, damals selbst für begrenzte Ziele nicht genutzte Mehrheit eingebüßt haben.
Referent
Peter Brandt