Marcus Boeick
Marcus Böick

Sie haben 2016 promoviert: Wie ging es danach für Sie weiter?

Ich hatte das große Glück, dass ich direkt ab Herbst 2016 ein Forschungsprojekt im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums bearbeiten durfte, in dem ich das Thema meiner Doktorarbeit erinnerungskulturell an die Gegenwart heranführen konnte. Das war sehr spannend, aufgegend und anregend, zumal wir dort auch – für Historikerinnen und Historiker unüblich – mit umfassenden Straßenbefragungen in Leipzig und Eisenach gearbeitet haben. Seit Herbst 2017 bin ich als Akademischer Rat an der Ruhr-Universität dabei, ein größeres Forschungsprojekt zur Geschichte privater Sicherheitsdienste im 20. Jahrhundert voranzutreiben, was mir sehr viel Freude bereitet. Ein Kollege meinte mal, dass ich damit mein Faible für zwielichtige Business- bzw. Wirtschaftsthemen weiter ausgebaut habe … quasi vom gemeinen Treuhand-Manager zum bedrohlichen Schwarzen Sheriff. Er hat vielleicht nicht ganz Unrecht damit.

Hat Ihnen die Promotion auf Ihrem Weg geholfen?

Ja, ganz außerordentlich. Meine Doktorarbeit wurde, nach umfassenden Kürzungen und dank meiner wunderbaren Lektorin, im Sommer 2018 endlich veröffentlicht. Die folgenden Diskussionen um das Symbolthema „Treuhand“ haben mir auch die unverhoffte Gelegenheit verschafft, aktiv an öffentlichen wie politischen Debatten teilzunehmen – kreuz und quer durch die Republik und sogar bis in die USA. Aber auch darüber hinaus ist eine Promotion für eine wissenschaftliche Karriere natürlich essentiell. Persönlich würde ich resümieren, dass der ganze Prozess in den verschiedenen Phasen sehr aufreibend ist. Man lernt sehr viel, gerade auch über sich selbst, aber es verlangt auch einiges ab. Eine schaurig-schöne Zeit, die ich jedenfalls keinesfalls missen möchte!

Sie haben über die Treuhandanstalt und ihr Personal promoviert.* Würden Sie das Thema heute noch einmal so wählen?

Im Nachhinein kann ich durchaus offen zugeben, dass ich damals – etwa 2008/9 – doch erstaunlich naiv an dieses Mammut-Vorhaben herangegangen bin. Ich wollte ein frisches, knalliges Thema bearbeiten, bei dem sich verschiedene Perspektiven aus Ost und West fruchtbar verbinden lassen. Immerhin war ich in der Ostprovinz aufgewachsen und dann ins trubelige Ruhrgebiet übergesiedelt. Die ganzen empirischen Hürden und methodischen Fallstricke waren mir damals auch noch nicht wirklich bewusst. Dabei habe ich von einem sehr produktiven intellektuellen Umfeld in Bochum profitiert, das sich weniger über spezifische Themenfelder definiert hat, sondern eher von einer großen Lust auf unkonventionelle Sichtweisen bestimmt gewesen ist.

Was ist Ihnen aus Ihrer Zeit als Stipendiat bei der Bundesstiftung Aufarbeitung besonders in Erinnerung geblieben?

Ich sage das nicht, weil man das hier sicher von mir erwartet: Ich bin der Stiftung und ihren Leuten jedenfalls sehr dankbar. Sie haben mein durchaus riskant-ambitioniertes Projekt seit 2011 gefördert und mich dabei nicht nur materiell, sondern auch ideell sehr unterstützt und auch in Tiefphasen motiviert. Ich habe vor allem die intensiven Diskussionen in Berlin oder Suhl immer sehr genossen, zumal man auch hier stets bereit war, sich auf das Wagnis einzulassen, gemeinsam mit mir zeithistorisches Neuland nach 1990 zu betreten. Schließlich habe ich auch einige sehr wertvolle Kontakte geknüpft und schöne Freundschaften gewonnen, die mich bis heute begleiten, wofür ich sehr dankbar bin. Mit ihren Stipendienprogramm ist die Stiftung schon eine Art Hidden Champion in diesem Forschungsfeld.

Welchen Ratschlag würden Sie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf Ihrem Weg zur Promotion geben?

Ohje, das ist natürlich eine ziemlich individuelle Frage! Aber vielleicht sollte man sich durchaus etwas Zeit nehmen und in Ruhe darüber nachdenken, ob man diese sehr besondere und intensive Lebens- und Arbeitsweise einer geisteswissenschaftlichen Promotion – sehr viele Freiheiten, aber teils auch wenige Sicherheiten – auch gut aushalten kann. Natürlich gibt es viel Austausch mit anderen Doktoranden, Betreuenden oder Kolleginnen. Aber trotz allem ist man auch viel mit sich selbst alleine und zweifelt natürlich auch mal an allem. Für mich war es in solchen Augenblicken immens wichtig, dass ich mich selbst und ganz bewusst für diesen Weg und auch dieses Thema entschieden habe. Allerdings ist man auch, gerade zu Beginn, wirklich oft unglaublich frei und sehr selbstbestimmt.   

* Die Arbeit ist 2018 unter dem Titel „Die Treuhand. Idee – Praxis – Erfahrung 1990–1994“ im Wallstein Verlag erschienen. Eine Lizenzausgabe wurde 2019 bei der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht. Als Taschenbuch ist die Studie seit 2020 im Suhrkamp Verlag erhältlich.