Konspiration zählte von Beginn an zu den Grundprinzipien kommunistischer Parteiarbeit. Ende des 19. Jahrhunderts in Europa und im zaristischen Russland selbst politischer Verfolgung ausgesetzt, entwickelte die revolutionäre Linke in ihrer konspirativen Arbeit ungeahnte Dynamiken. Wo immer eine kommunistische Partei die Macht errang, wurden die geheimen Parteistrukturen zum Nukleus von Geheimdiensten, die die eigene Herrschaft absicherten. Kommunistische Parteien sahen sich stets dem Verdacht ausgesetzt, zu taktieren, konspirative Praktiken zu verfolgen und subversiv zu wirken. Dass diese Vorhaltungen berechtigt waren, zeigen auch die Beiträge zum Schwerpunkt des „Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung 2016“.
Die Autorinnen und Autoren nähern sich dem Thema anhand biografischer Skizzen und Analysen von Parteien und Institutionen. Wie wurden KP-Mitglieder zu V-Männern der Gestapo oder anderer Geheimdienste (Andreas Herbst, Udo Grashoff, Bodo Hechelhammer, Kimmo Rentola, Hans Schafranek)? Wie setzte der Geheimdienst der Komintern seine Kuriere ein (Morten Møller)? Am Beispiel der KP Polens wird gezeigt, wie Misstrauen das Handeln der kommunistischen Parteien prägte (Eryk Krasucki, Ute Caumanns). Um Vertrauen warb dennoch die DDR in ihrem Streben nach Anerkennung in Skandinavien mittels „Freundschaftsgesellschaften“, überwacht von den Nachrichtendiensten der Länder.
Jenseits des Themenschwerpunkts finden sich im JHK Beiträge zu Hugo Urbahns (Marcel Bois), zur Rolle der Anwälte in Prozessen gegen Kommunisten in der Bundesrepublik in den 1950er Jahren sowie zu Reaktionen in der DDR-Bevölkerung nach dem XX. Parteitag der KPdSU.
Ulrich Mählert • Jörg Baberowski • Bernhard H. Bayerlein • Bernd Faulenbach • Ehrhart Neubert • Peter Steinbach • Stefan Troebst • Manfred Wilke (†) im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Thomas Wegener Friis (Odense) • Stefan Karner (Graz) • Mark Kramer (Cambridge, MA) • Norman LaPorte (Pontypridd) • Krzysztof Ruchniewicz (Wrocław) • Brigitte Studer (Bern) • Krisztián Ungváry (Budapest) • Alexander Vatlin (Moskau)
Das 1993 von Hermann Weber in Mannheim begründete und seit 2004 im Auftrag der Bundesstiftung Aufarbeitung herausgegebene Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung ist die wichtigste deutschsprachige Plattform der deutschen und internationalen historischen Kommunismusforschung.
Metropol Verlag Berlin, 288 Seiten, 23 Abb., 29,00 €, ISSN 0944-629X, ISBN 978-3-86331-280-0
»I myself am not aware of any anti-party attitudes …«. A note on the biography of leading KPD functionary Wilhelm Hein
// von Andreas Herbst
Resistance as farce? Gestapo Informants (Vertrauensmänner) in the illegal German Communist Party in Breslau 1935–39
// von Udo Grashoff
Comintern Couriers – new approaches to communism’s intelligence apparatus
// von Morten Møller
A Trotskyist conspiracy in the Soviet Embassy in Berlin: The "Bukharinist" Sergei Bessonov and the Third Moscow Show Trial
// von Matthias Bürgel
“On His Majesty‘s Secret Service”: Heinz Felfe and his intelligence work for the British secret service against the German Communist Party (1947–50)
// von Bodo Hechelhammer
The informant in the headquarters of the Finnish Communist Party
// von Kimmo Rentola
Distrust – an unavoidable and destructive characteristic of conspiracy. The case of the Polish Communist Party (1918–38)
// von Eryk Krasucki
The Fourth illegal Central Committee of the Austrian Communist Party in 1942 – a construct of the Viennese Gestapo
// von Hans Schafranek
Conspiracy as self-deception and externally imposed deception: the “New Beginning” network before and after 1945
// von Tobias Kühne
My enemies’ friend is my enemy. The Austrian Communist Party as seen by the American and British intelligence service 1945–55
// von Dieter Bacher
Conspiratorial thinking in the Polish political leadership during the Cold War: Bierut, Berman, Werfel and the “Trial of the Generals”
// von Ute Caumanns
A strained "friendship between peoples" in the North: the GDR-friendship-societies in the Scandinavian countries as seen by the Danish, Norwegian and Swedish secret services
// von Thomas Wegener Friis, Astrid Carlsen und Nils Abraham
Thalmann’s opponent: Hugo Urbahns
// von Marcel Bois
Lawyers between politics and the law: the role of the defence in political trials against Communists in the Federal Republic of Germany during the 1950s
// von Jens Niederhut
“So what’s wrong with Stalin now?” The Twentieth Congress of the CPSU and the mood of the population in the GDR
// von Henrik Bispinck