„Es ging ja nicht darum, zwei Armeen zueinander zu fügen, […] es sind einzelne Reste Personen der NVA integriert worden, niemals eine andere Armee, und darum ist der Begriff ‚Armee der Einheit‘ so was von Verwenderblödsinn. Es ist erstens nichts vereinigt worden und es ist [zweitens] nichts vereinheitlicht worden, denn die NVA-Soldaten sind nach wie vor Deutsche zweiter oder dritter Klasse.“
Mit diesen Worten bilanzierte Jürgen Schneider, der zum Zeitpunkt des Interviews im März 2004 im Dienstgrad eines Oberstleutnants in einer Ausbildungseinrichtung der Bundeswehr arbeitete, die Vereinigung im Bereich des Militärs. Jürgen Schneider gehört zur vergleichsweise kleinen Gruppe von Offizieren der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR, die im vereinigten Deutschland ihren Beruf weiter ausüben konnten. Am 3. Oktober 1990 waren alle Generale und Admirale, Offiziere über 55 Jahre und Soldatinnen (mit Ausnahme der weiblichen Offiziere des Sanitätsdienstes) entlassen oder in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Die verbliebenen rund 51 000 Zeit- und Berufssoldaten der NVA übernahm die Bundeswehr vorläufig. Sie konnten sich zunächst für eine zweijährige Verpflichtung als sogenannte Soldaten auf Zeit bewerben. Danach entschied die Bundeswehr in einem zweiten Auswahlverfahren über ihre dauerhafte Integration. Insgesamt wurden etwa 10 800 NVA-Soldaten, darunter 3000 Offiziere wie Jürgen Schneider, zu Berufssoldaten der Bundeswehr ernannt.1 Alle anderen schieden aus dem Militärdienst aus.