Künstler beim Malen
© Bundesstiftung Aufarbeitung, Harald Schmitt, Bild Schmitt_263 fin

Am 11. April 1975 lädt der Kunstverein in Hamburg zur Eröffnung einer Einzelausstellung eines prominenten Malers der DDR. Gezeigt werden etwa 120 Werke von Willi Sitte aus der Zeit zwischen 1950 und 1974. Der Maler ist seit einem Jahr Präsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR und damit der einflussreichste Künstler Ostdeutschlands. Unter den Arbeiterdarstellungen, Porträts, Historienbildern und Akten erregen das großformatige Bild „Leuna 69“ sowie die Triptychen „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben und Freiheit“ und „Höllensturz in Vietnam“ besondere Aufmerksamkeit. Während das erste Bild die in der DDR propagierte Rolle des Arbeiters im Sozialismus im Zuge des wissenschaftlich-technologischen Fortschritts zur Schau stellt, greifen die Triptychen politisches Weltgeschehen auf. So sind in dem mit einem Satz aus der Charta der Menschenrechte überschriebenen Kunstwerk mehrfach Bezüge zum Nationalsozialismus, zum Vietnamkrieg und dem Militärputsch in Chile im Jahr 1973 zu finden. In der simultanen Darstellung vergangener und gegenwärtiger Ereignisse klagt der Maler den (Neo-)Faschismus, die Kriegsführung und die Außenpolitik kapitalistischer Staaten gleichermaßen an. Dem marxistisch-leninistischen Geschichtsmodell entsprechend verweist das Kunstwerk aber auch schon auf die nachfolgende Überwindung des kapitalistischen Imperialismus und seiner Gewalttätigkeit durch den Kommunismus.
Dafür steht die Figur, die sich anstelle des gekreuzigten Christus im Zentrum der Mitteltafel kraftvoll von ihren Fesseln losreißt, um über die Schuldigen zu richten; der Fallschirmspringer, dessen Schnüre wie die losen Fäden einer Marionette vom Rücken herunterhängen, wird vor ihm auf die Knie gezwungen.

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Thema
Grenzüberschreitung: Die Rezeption von Kunst aus der DDR in der Bundesrepublik vor 1989