Der Karl-Wilhelm-Fricke-Preis wurde am 13. Juni in Berlin verliehen. Mit dem Hauptpreis 2019 ist die Initiativgruppe Geschlossener Jugendwerkhof Torgau e.V. ausgezeichnet worden. Aus Anlass von 30 Jahren Friedliche Revolution hat die Jury 2019 einmalig drei Sonderpreise vergeben. Diese wurden an die ehemalige Spitzensportlerin, Autorin und Wissenschaftlerin Ines Geipel, den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Hartmut Büttner sowie die Zeitschrift für Zeitgeschichte und Politik „Gerbergasse 18“ verliehen.
In mehr als 70 Spezialheimen sollten in der DDR Kinder und Jugendliche umerzogen werden, die sich nicht in das gesellschaftliche Raster der sogenannten »sozialistischen Persönlichkeit« einfügten. Mindestens 135.000 Heranwachsende mussten dieses unmenschliche Strafsystem durchlaufen. Die Initiativgruppe Geschlossener Jugendwerkhof Torgau e.V. klärt seit vielen Jahren über die Leiden der Kinder und Jugendlichen in den DDR-Spezialheimen auf und verhilft den ehemaligen Heimkindern zur Anerkennung des widerfahrenen Unrechts.
I42,20 Sekunden über 4 x 100 Meter, diesen bis heute gültigen Vereinsweltrekord stellt die Leichtathletin Ines Geipel 1984 mit einer Staffel des SC Motor Jena auf. Erst in den 1990er Jahren erfährt sie, dass sie in ihrer aktiven Zeit unwissentlich unter dem Einfluss des staatlichen Zwangsdopings in der DDR gestanden hat und lässt ihren Namen von der Bestenliste streichen. Ines Geipel engagiert sich für die Opfer des Zwangsdopings, für die unterdrückten Schriftstellerinnen und Schriftsteller in der DDR und die Auseinandersetzung mit der kommunistischen Diktatur.
Bereits als Jugendlicher setzt sich Hartmut Büttner in Niedersachsen intensiv für das Selbstbestimmungsrecht aller Deutschen ein. 2010 ruft Büttner in Niedersachsen das Netzwerk für SED- und Stasiopfer ins Leben. Das Netzwerk unterstützt die Opfer der SED-Diktatur seither dabei, zu ihrem Recht zu kommen. Es berät zu Vermögens- und Rentenfragen und klärt, ob Anrecht auf Entschädigungen für die in der Haft erlittenen Gesundheitsschäden besteht.
»Gerbergasse 18« Thüringer Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte und Politik
Die Gerbergasse 18 in Jena war seit den 1970er- Jahren Sitz der Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Von dort aus bekämpfte die Stasi bis zu ihrer Auflösung. Als am 17. Juni 1995 die Geschichtswerkstatt Jena e. V. gegründet wurde, zeichnete sich bald ab, dass der Verein zur Aufarbeitung von Opposition und Widerstand die ehemalige Stasi-Dienststelle beziehen würde. Von Beginn an hatte die Geschichtswerkstatt die Herausgabe einer Zeitschrift geplant, die «Gerbergasse 18« heißen sollte. Der Verein hat es über die Jahre hinweg verstanden, die Zeitschrift als wichtige Plattform der Aufarbeitung zu etablieren, die mittlerweile bundesweit verbreitet wird.