Hedwig Richter
Hedwig Richter, © Bodo Dretzke

Sie haben 2008 promoviert: Wie ging es danach für Sie weiter?

Die berufliche Laufbahn in der deutschen Wissenschaft ist ja ein Vabanque-Spiel. Sehr viel hängt vom Glück ab, und alles bleibt prekär, bis der Ruf kommt (oder eben in den meisten Fällen: nicht kommt). Ich hatte Glück und bekam eine Postdoc-Stelle an der Universität Bielefeld und danach eine gute Assistentinnenstelle in Greifswald. Dort konnte ich meine Habilitation über Wahlen im 19. Jahrhundert schreiben. 2016 bekam ich eine Stelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hamburger Institut für Sozialforschung, und 2019 kam der Ruf an die Universität der Bundeswehr in München, wo ich 2020 mit meiner Arbeit begann. Dazwischen war ich immer mal wieder im Ausland.

Hat Ihnen die Promotion auf Ihrem Weg geholfen?

Aber ja!

Sie haben über die Herrnhuter Brüdergemeine in der DDR promoviert.* Würden Sie das Thema heute noch einmal so wählen?

Mein Thema, eine kleine Freikirche in der DDR, war schon ein wenig abwegig. Aber DDR-Geschichte lehrt uns ja viel über die gesamteuropäische Geschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und über die Geschichte des Kalten Krieges. Außerdem habe ich auch versucht, die weltweiten Verflechtungen dieser sehr international orientierten Kirche zu berücksichtigen. Die Arbeit war sehr Archiv-intensiv; ich war insgesamt in knapp 20 Archiven in drei Ländern, was anstrengend, aber auch einfach hochinteressant war.

Was ist Ihnen aus Ihrer Zeit als Stipendiatin bei der Bundesstiftung Aufarbeitung besonders in Erinnerung geblieben?

Vor allem die netten Mitmenschen: die anderen Promovierenden, aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung Aufarbeitung (allen voran natürlich Uli Mählert) und der wissenschaftliche Beirat. Bei den jährlichen Kolloquien kamen wir alle zusammen, und der Austausch war extrem hilfreich, die Atmosphäre arbeitsintensiv, aber auch sehr freundlich und gesellig. – Was die Arbeit an der Promotion betrifft, sind mir vor allem die mühsam schönen Stunden in den Archiven in Erinnerung.

Welchen Ratschlag würden Sie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf Ihrem Weg zur Promotion geben?

Ein Thema zu wählen, das ihnen am Herzen liegt. Und genau überlegen, ob man danach in der Wissenschaft bleiben will. Falls ja: Nur, wenn das Recherchieren, Lesen, Diskurtieren, Schreiben auch richtig Spaß macht und einen für die ganzen Mühen entschädigt. Und sich im „Mittelbau“ und für dessen Rechte engagieren!

* Die Arbeit ist 2009 unter dem Titel „Pietismus im Sozialismus. Die Herrnhuter Brüdergemeine in der DDR“ im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erschienen.

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