Susanne Muhle
Susanne Muhle

Sie haben 2012 promoviert: Wie ging es danach für Sie weiter?

Zur Zeit meiner Disputatio hatte ich gerade ein wissenschaftliches Volontariat bei der Stiftung Berliner Mauer beendet und wurde dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Gedenkstätte Berliner Mauer übernommen. Es waren bewegte Zeiten, da zu dieser Zeit mit Hochdruck an der Außenausstellung im Gedenkstättenareal und einer neuen Dauerausstellung im Dokumentationszentrum gearbeitet wurde. Ich hatte das Glück, in beiden Ausstellungsteams mitwirken zu dürfen. Seit 2016 leite ich nun das Projekt Erinnerungsort Checkpoint Charlie. Denn die Stiftung Berliner Mauer wurde vom Land Berlin beauftragt, an dem weltberühmten Mauerort die Einrichtung eines neuen Bildungs- und Erinnerungsorts vorzubereiten. Er soll sich der Geschichte des Ortes und der internationalen Dimension der Berliner Mauer, also dem Kalten Krieg widmen.

Hat Ihnen die Promotion auf Ihrem Weg geholfen?

Es ist schwer zu sagen, ob ich heute auch ohne Promotion an der Position wäre, an der ich bin. Im Arbeitsfeld Gedenkstätten und Museen ist der Doktortitel zwar keine unumstößliche Voraussetzung für leitende Positionen, aber schon ein Türöffner. Für mich persönlich war die intensive wissenschaftliche Arbeit im Rahmen der Promotion aber ein wichtiger Schritt und eine sehr wertvolle Erfahrung, aus der ich in meinem Beruf immer noch schöpfe – nicht nur hinsichtlich der inhaltlichen Expertise, sondern auch in Fragen der Selbstorganisation und des Projektmanagements.

Sie haben über Entführungen von Westberlinern und Bundesbürgern durch das DDR-Staatssicherheitsministerium promoviert.* Würden Sie das Thema heute noch einmal so wählen?

Ja, auf jeden Fall. Das Thema interessiert und bewegt mich noch immer. Das liegt vermutlich auch an den zahlreichen positiven Resonanzen, die ich für meine Forschungen immer wieder bekomme – sei es von Betroffenen und von Angehörigen von Betroffenen, aber auch von WissenschaftlerInnen, JournalistInnen und FilmemacherInnen oder historisch interessierten Menschen.

Vielleicht würde ich meine Untersuchung heute weniger detailreich dem MfS widmen und sie stattdessen um eine Perspektive ergänzen, die ich schon damals vor Augen hatte, aber mangels Aktenzugang nur ansatzweise realisieren konnte: Was wussten eigentlich die westlichen Nachrichtendienste über die Entführungspraxis des MfS und welche Maßnahmen haben sie ergriffen? Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der inzwischen erfolgten Untersuchungen zur Frühphase des BND und des Verfassungsschutzes hätte ich hier vielleicht Chancen auf Einsichten, die mir noch verwehrt wurden. Zudem bieten sich in den USA Aktenzugänge, die aufschlussreich sein könnten. Die sowjetische Seite bliebe mangels Aktenzugang leider immer noch im Dunkeln.

 Was ist Ihnen aus Ihrer Zeit als Stipendiatin bei der Bundesstiftung Aufarbeitung besonders in Erinnerung geblieben?

Der intensive und produktive Austausch mit meinen MitstipendiatInnen und Dr. Ulrich Mählert als Ansprechpartner in der Bundesstiftung. Es entwickelte sich eine richtig eingeschworene Gemeinschaft, die ich sehr genossen habe und die mich immer wieder motivierte und inspirierte. Zu unseren regelmäßigen Stammtischen luden wir auch verschiedene WissenschaftlerInnen ein, um uns mit ihnen über zentrale Fragen der Aufarbeitung der SED-Diktatur und der deutschen Teilungsgeschichte auszutauschen.

Welchen Ratschlag würden Sie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf Ihrem Weg zur Promotion geben?

Mein Ratschlag geht in zwei Richtungen. Erstens: Widersteht der Versuchung, Euern Forschungsgegenstand immer umfangreicher werden zu lassen! Das ist mir nicht so gut gelungen. Zweitens: Ein Stipendium, wie es die Bundesstiftung Aufarbeitung offeriert, bietet kostbare Möglichkeiten, erfahrene und junge WissenschaftlerInnen kennenzulernen, sich mit ihnen auszutauschen und sich zu vernetzen – gerade für Promovierende, die nicht an einer Universität angebunden sind. Nutzt diese Chancen! Geht zu Veranstaltungen und Tagungen, vernetzt Euch untereinander und engagiert Euch!

 

* Die Arbeit ist 2015 unter dem Titel „Auftrag: Menschenraub. Entführungen von Westberlinern und Bundesbürgern durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR“ im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erschienen.

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