Tilmann Siebeneichner
Tilmann Siebeneichner

Sie haben 2011 promoviert: Wie ging es danach für Sie weiter?

Über eine Vertretung bin ich noch im selben Jahr zu meiner ersten Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter gelangt.

Hat Ihnen die Promotion auf Ihrem Weg geholfen?

Man entwirft sich ja eher rückwärts als in die Zukunft gewandt, trotzdem würde ich behaupten, dass ich immer schon wissenschaftlich arbeiten wollte. Daher: unbedingt. Sie war aber auch ein wunderbares persönliches Bildungserlebnis, über das ich nicht nur mein Fach, sondern auch mich selbst noch einmal ganz neu kennengelernt habe und eine Herausforderung, an der ich meine nicht nur professionell gewachsen zu sein.

Sie haben über die Kampfgruppen der Arbeiterklasse in der DDR promoviert.* Würden Sie das Thema heute noch einmal so wählen?

Ja. Ich würde ihre Geschichte vermutlich ein wenig anders erzählen als seinerzeit, aber damals wie heute fand ich die Geschichte der Kampfgruppen deshalb spannend, weil sich mit ihr eine Reihe übergreifender Fragen danach verbinden, wie politische Militanz und ihre kulturelle Mythisierung benutzt wird, um Herrschaft zu reklamieren und zu legitimieren und was derlei Vorgänge mit einer Gesellschaft machen – Fragen, die meines Erachtens auch heute nichts von ihrer Relevanz eingebüßt haben.   

Was ist Ihnen aus Ihrer Zeit als Stipendiat bei der Bundesstiftung Aufarbeitung besonders in Erinnerung geblieben?

Dass Zeitgeschichte eben immer auch Streitgeschichte ist. Diese Erfahrung war mitunter durchaus irritierend, letztendlich hat sie mir jedoch deutlich gemacht, dass wir uns mit Fragen beschäftigen, die nicht nur einen kleinen Kreis wissenschaftlicher Experten interessieren, sondern viel weitreichendere  gesellschaftliche und politische Relevanz besitzen. Das fand ich spannend und anspornend zugleich.

Welchen Ratschlag würden Sie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf Ihrem Weg zur Promotion geben?

Auch Umwege führen mitunter ans Ziel. Mancherlei wichtige Anregung und Eingebung für die Bearbeitung meines eigenen Themas hat mir die Beschäftigung mit ganz anderen Themen verschafft. Sie bearbeiten mit Ihrer Dissertation ja nicht nur eine ganz spezifische Fragestellung, sondern schaffen sich mit ihrer Arbeit in einem viel umfassenderen Sinne ja auch die Grundlagen für ihre weitere Karriere. Schauen Sie also möglichst breit und bewahren Sie sich Ihre Neugier und Ihr Interesse an Themen, die zunächst einmal wenig mit ihrem eigentlichen Thema zu tun zu haben scheinen. Ich habe darüber Einsichten und Kontakte gewonnen, von denen ich bis heute zehre.   

 

* Die Arbeit ist 2014 unter dem Titel „Proletarischer Mythos und realer Sozialismus. Die Kampfgruppen der Arbeiterklasse in der DDR“ im  Böhlau Verlag erschienen.

Kontakt: tilmann.siebeneichner@hu-berlin.de

Lesebuch

Vom Mythos einer kämpferischen Klasse

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