Heute vor 50 Jahren, am 30. April 1968, erschien in Moskau die erste Nummer des Samsidat-Bulletins „Chronik der laufenden Ereignisse“. Der maschinengeschriebene Report enthielt Informationen über rechtswidrige Verfolgungen und Menschenrechtsverletzungen in der Sowjetunion, zusammengetragen von den Akteuren der Menschenrechtsbewegung in der UdSSR. Von Anfang versuchte der KGB, das Erscheinen der Blätter zu verhindern, dennoch wurde die Chronik mit zeitweiligen Unterbrechungen über anderthalb Jahrzehnte herausgegeben.

Die Redaktion fertigte jeweils acht maschinengeschriebene Exemplare mit einem Umfang von anfänglich 10 bis 20 Seiten und zum Ende hin 150 bis 200 Seiten an, von denen in Moskau und anderen Städten der UdSSR Abschriften angefertigt wurden. Die Gesamtauflage betrug mehrere Hundert Exemplare. Auf den gleichen geheimen Wegen, auf denen die Publikationen verbreitet wurden, gelangten Informationen aus dem ganzen Land zurück zur Moskauer Redaktion, indem sie von Hand zu Hand weitergegeben wurden.

Die Zusammensetzung der Redaktion änderte sich aufgrund der anhaltenden Verfolgung durch den KGB ständig. Initiatorin und Redakteurin der ersten zehn Ausgaben der Zeitschrift war Natalja Gorbanewskaja. Sie entwickelte auch das Profil der detaillierten Berichte und der unparteiischen Kommentierung der Ereignisse. Nach ihrer Verhaftung im Dezember 1969 wurde die „Chronik“ von einer Gruppe um Tatjana Welikanowa. Die Namen der Redakteure wurden nicht offen angegeben mit Ausnahme der drei Mitglieder der Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR (Tatjana Welikanowa, Sergei Kowaljow und Tatjana Chodorowitsch). Letztere gaben die Zeitschrift nach der behördlich erzwungenen Einstellung und einer anderthalbjährigen Unterbrechung im Mai 1974 neu heraus. Die 64. Ausgabe erschien 1983. Aufgrund der Verhaftung des Redakteurs Juri Schychanowitsch konnte die bereits fertiggestellte 65. Ausgabe im Herbst 1983 nicht mehr veröffentlicht werden.

Die "Chronik der laufenden Ereignisse" war für die Entstehung einer unabhängigen Öffentlichkeit in der UdSSR von historischer Bedeutung. Zudem entstand eine wachsende Sammlung gesicherter Informationen, die auch heute noch von großem Quellenwert ist. Auch das Ausland konnte auf diese Weise über die Menschenrechtslage in der Sowjetunion informiert werden. Für den Kampf um Menschenrechte und Pressefreiheit in der UdSSR war die ab 1968 veröffentlichte Chronik ein wichtiger Schritt mit nachhaltiger Wirkung.

Auf dissidenten.eu erhalten Sie weitere Informationen zur „Chronik der laufenden Ereignisse“ und zum Leben von Tatjana Welikanowa.

Einen ausführlichen Artikel hat Gennadij Kuzowkin von MEMORIAL 2008 in der Zeitschrift „Horch und Guck“ veröffentlicht, der kostenlos online verfügbar ist.