Am 9. November 1989 schrieb der Sprecher des SED-Politbüros Günter Schabowski im internationalen Pressezentrum in Ost-Berlin Weltgeschichte: „Die DDR-Staatsführung hat sich dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, auszureisen.“ Auf Nachfrage eines Journalisten, wann die neue Reiseregelung in Kraft trete, antwortete er irrtümlich: „Sofort, unverzüglich.“ Damit gab Schabowksi den entscheidenden Impuls für die Menschen in Ost-Berlin, an den Grenzübergängen deren Öffnung zu fordern und durchzusetzen. Der Fall der Berliner Mauer besiegelte das Ende der DDR.

Bis zu diesem Tag hatte der 1929 geborene SED-Politiker eine sozialistische Bilderbuchkarriere durchlaufen. 1981 wurde Günter Schabowski Mitglied des Zentralkomitees der SED, ab 1985 Erster Sekretär der Bezirksleitung der SED von Ost-Berlin. Damit war er einer der verantwortlichen Repräsentanten des SED-Regimes, die sich für die Toten an der Mauer später vor Gericht verantworten mussten. Bis zu seiner Verurteilung wegen Totschlags am 25. August 1997 – seine Strafe waren drei Jahre Haft, von denen er ein Jahr weitgehend im freien Vollzug verbüßte – hatte bereits ein Umdenken des ehemaligen kommunistischen Hardliners eingesetzt, der seine moralische Schuld eingestand: „Als einstiger Anhänger und Protagonist dieser Weltanschauung empfinde ich Schuld und Schmach bei dem Gedanken an die an der Mauer Getöteten. Ich bitte die Angehörigen der Opfer um Verzeihung.“

Für seine kritische und selbstkritische Auseinandersetzung mit der DDR wurde Günter Schabowski von einstigen Weggefährten als „Verräter“ beschimpft, von anderen als „Wendehals“ bezeichnet. Doch er blieb bis zum Schluss bei seiner Linie, sich als einziger führender SED-Politiker deutlich von der DDR zu distanzieren. In einem seiner letzten Interviews mit dem Berliner Tagesspiegel sagte er noch 2009 bezüglich eines Gesprächsbandes mit dem Titel „Wir haben fast alles falsch gemacht“: „Ehrlich gesagt, ich halte den Titel, den der Verlag gewählt hat, für falsch. Das hört sich so an, als hätten wir einiges richtig gemacht. Ich bin aber grundsätzlich anderer Auffassung. Ich bin der Meinung, dass wir alles falsch gemacht haben. Weil der Versuch, ein sozialistisches Gesellschaftskonstrukt zu schaffen, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.“

Am 1. November 2015 ist Günter Schabowski im Alter von 86 Jahren in Berlin verstorben.
Die Bundesstiftung Aufarbeitung bekundet seiner Frau Irina und der ganzen Familie herzliches Beileid.