Fragen von Repression und staatlichem Unrecht in der kommunistischen Herrschaft sowie der Opfer werden die Arbeit der Bundesstiftung auch weiterhin prägen. Hierzu gehört die Erinnerung an die Niederschlagung des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 ebenso wie der Mauerbau 1961, mit dem die große Mehrheit der DDR-Bevölkerung gegen ihren Willen quasi im eigenen Land eingesperrt wurde. 2022 jährt sich die Abriegelung der innerdeutschen Grenze zum 70. Mal. In den Aktionen „Grenze“ und „Ungeziefer“ wurden 1952 rund 12.000 Menschen ohne Vorwarnung aus dem Grenzgebiet über Nacht vertrieben. Etwa 3.000 Betroffenen gelang die Flucht in die Bundesrepublik. Die aus dem Grenzgebiet Vertriebenen wurden an ihren neuen, zwangsweise zugewiesenen Wohnorten von offizieller Seite als Kriminelle stigmatisiert.

2022 jähren sich zudem die bereits in den 1940er Jahren begonnenen und 1972 endgültig vollzogenen Enteignungen und Verstaatlichungen privater Betriebe, darunter viele Handwerksbetriebe und Einzelhandelsgeschäfte. Am 13. Juli 1972 gab Erich Honecker dem Kreml in Moskau schließlich das „erfolgreiche“ Ende der Verstaatlichungskampagne bekannt. Die mit Schikanen, Zwang und Repressionen erreichte Übertragung der privaten Unternehmen in die Volkseigenen Betriebe hatte in den folgenden Jahren oftmals einen Produktionsrückgang und Versorgungsengpässe zur Folge.

Jenseits konkreter Schwerpunkte werden wir uns auch 2022 für die Realisierung des Denkmals zur Mahnung und Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland einsetzen und insbesondere das digitale Begleitangebot auf den Weg bringen.

Der Blick über den Tellerrand

Ein Kernstück unserer Arbeit ist immer der Blick über den Tellerrand. Denn die kommunistische Herrschaft in der DDR war Teil des sowjetischen Imperiums, das große Teile Europas umfasste. Aus Anlass der Erstveröffentlichung des Schwarzbuchs des Kommunismus vor 25 Jahren werden wir in verschiedenen Vorhaben auch der Frage nachgehen, inwieweit der Kommunismus als eine der beiden beherrschenden Ideologien des 20. Jahrhunderts noch im Bewusstsein der Menschen verankert ist oder bis heute verharmlost wird. In diesem Zusammenhang erinnern wir mit unseren Angeboten an die Verbrechen des Kommunismus. So etwa an den „Holodomor“ in der Ukraine, dem gezielten Aushungern von mehr als sechs Millionen Menschen vor 90 Jahren, das bis heute das familiäre und öffentliche Gedächtnis in der Ukraine prägt, oder an die von Stalin veranlassten Verhaftungen, Schauprozesse und Massenerschießungen im Jahr 1937, die als „Großer Terror“ in die Geschichte eingegangen sind.

#revolutiontransformation

Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Bundesstiftung unter dem Titel #RevolutionTransformation in ihren Projekten und Vorhaben verstärkt mit den Folgen der SED-Herrschaft sowie Fragen der Transformation und Umbruchszeit nach 1990. Auch die nächste Geschichtsmesse in Suhl wird sich unter dem Titel „Demokratie unter Spannung: Freiheit, Protest und Extremismus nach dem Ende der kommunistischen Diktaturen in Europa“ der Transformationszeit widmen. Darüber hinaus wird zu diesem Schwerpunkt die Website „Erinnerung und Aufarbeitung“ im Herbst online gehen und der mittlerweile dritte Band des Jahrbuchs Deutsche Einheit erscheinen. Das ganze Jahr über werden wir in unserer neuen Veranstaltungsreihe „Wir müssen reden“ kontrovers über aktuelle historisch-politische Fragen, wie etwa zu den Unterschieden des Demokratieverständnisses in Ost- und Westdeutschland, diskutieren. Höhepunkt der Reihe wird eine Veranstaltung am 15.9.2022 sein, dem Internationalen Tag der Demokratie. In öffentlichen Gesprächsrunden mit Journalisten, Politikern und Publikum wird unter anderem über Freiheit, Eigentum und Mitbestimmung diskutiert. Zu den wichtigen Themen der Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur gehört auch die juristische Aufarbeitung des SED-Unrechts. Insofern ist die jüngst erzielte Verankerung der Behandlung des SED-Unrechts als Teil der juristischen Ausbildung im Deutschen Richtergesetz für uns Anlass, ein Mustercurriculum zu entwickeln sowie Workshops und Weiterbildungen anzubieten.

Die kritische Aufarbeitung der Aufarbeitung

Vor 30 Jahren nahm die erste Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur“ des Deutschen Bundestages ihre Arbeit auf. Sie war in der Geschichte der deutschen Parlamente erst die zweite Enquetekommission, die sich einem historischen Thema widmete. Parallel zur juristischen Aufarbeitung des DDR-Unrechts sowie zur Arbeit der 1991 gegründeten Stasiunterlagenbehörde leisteten die schließlich zwei Kommissionen wichtige Beiträge zur politisch-historischen Analyse sowie zur Bewertung der SED-Diktatur und erarbeiteten Politikempfehlungen für den weiteren Umgang mit der DDR-Vergangenheit. Die beiden Enquete-Kommission arbeiteten die Grundlagen der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit zur damaligen Zeit heraus und machten deutlich, dass die Staatssicherheit das ausführende Organ der Herrschaft in der DDR war und sie ihre Befehle von der SED empfing. Am Ende des parlamentarischen Prozesses stand 1998 die Gründung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die bis heute Impulsgeber für die Auseinandersetzung mit den kommunistischen Diktaturen ist. Die Sitzungsprotokolle und weitere Informationen zur Arbeit der insgesamt zwei Enquete-Kommissionen dokumentiert unser Portal Enquete Online.

Der Blick zurück auf die Anfänge der Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur bietet aber auch die Möglichkeit, eine differenzierte Bilanz der Aufarbeitung nach 30 Jahren zu ziehen: Was ist gelungen? Was ist noch zu tun? Welche Herausforderungen stehen vor den verschiedenen Institutionen, die sich mit den Fragen der SED-Herrschaft und deren Folgen im vereinten Deutschland befassen? Unser Leitgedanke dabei ist, eine differenzierte Sicht auf die zweite Diktatur zu richten, die im östlichen Teil der heutigen Bundesrepublik über 40 Jahre herrschte, und zugleich deutlich zu machen, dass diese Geschichte von gesamtdeutscher Relevanz ist.

Anregungen und Angebote für junge Menschen

Um vor allem jungen Leuten diese Zeit nahe zu bringen, bieten wir zu vielen der genannten Themen auch Lehrerweiterbildungen und Workshops an. Damit soll die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit befördert und verankert werden. Zu diesen Angeboten an junge Leute zählen auch der von unserer Bundesstiftung und dem Beauftragten für die ostdeutschen Bundesländer durchgeführte Jugendwettbewerb „Umbruchszeiten. Deutschland im Wandel seit der Einheit“, der mittlerweile das zweite Mal durchgeführt wird sowie das vom Deutschen Bundestag ins Leben gerufene und über BKM bei unserer Bundesstiftung geförderte bundesweite Programm „Jugend erinnert“.