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Öffentlicher Vortrag | Berlin
Ort der Veranstaltung

Humboldt-Universität zu Berlin Saal 007
Hausvogteiplatz 5-7
10117 Berlin

Die jugoslawischen 1980er Jahre waren geprägt von unzähligen Reformdiskussionen. Federführend dabei war der Bund der Kommunisten Jugoslawiens selbst. Er setzte jahrelang verschiedene Kommissionen ein, die Anpassungen im davor jahrzehntelang mit Stolz praktizierten Selbstverwaltungssozialismus herausarbeiten sollten. Mit der Zeit schien jedoch das Vertrauen zu schwinden, ob Reformen das jugoslawische sozialistische System (und den damit verbundenen alleinigen Herrschaftsanspruch der Partei) im Land tatsächlich würden retten können. Vor einem solchen Hintergrund brachte der Aufstieg von Slobodan Miloševićs an die Spitze der serbischen Republikpartei ab 1987 eine neue Dynamik. Er präsentierte sich als „antibürokratischer“ Erneuerer, bediente sich eines nationalistischen Populismus und verstand sich als Retter der Partei und Jugoslawiens.

Es blieb aber nicht nur bei Rhetorik. Nach und nach wurden die föderalen Parteiführungen in den autonomen Provinzen Vojvodina (1988) und Kosovo (1989) sowie in der Teilrepublik Montenegro (1989) über einen organisierten Druck der Straße von milošević-treuen Parteigängern übernommen. Vor diesem Hintergrund positionierten sich langsam immer expliziter die anderen Führungen der Republikparteien gegen Miloševićs Linie – am exponierteste jene in der Teilrepublik Slowenien. Für die Bundespartei stand das Jahr 1989 nun unter den Vorzeichen, wie man die Einheit der Partei (und damit gar auch des Landes?) noch würde bewahren können. In diesem Vortrag sollen Einblicke in diese Entwicklung im Jahre 1989 eröffnet werden. Dabei soll auch diskutiert werden, welche Blockaden sich nun als immer schwerer zu überwinden offenbarten und welche Folgen dies für die jugoslawische Staatsidee zeitigte.

Ringvorlesung "1989 - (k)eine Zäsur?"

Vor 30 Jahren wurden die kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa überwunden. Seitdem steht die Chiffre »1989« für das Wunder der friedlichen Revolution und das Versprechen demokratischer Freiheiten. Tatsächlich hat der revolutionäre Aufbruch zwar umfassende politische und gesellschaftliche Umwälzungen bewirkt. Doch langfristig wurden damit in den Ländern des ehemaligen »Ostblocks« auch Entwicklungen angestoßen und Bewegungen mobilisiert, die die Werte und erkämpften Rechte von damals heute wieder in Frage stellen. Dabei schrecken ihre Vertreter nicht davor zurück, für ihre Anliegen auch mit einstigem Revolutions-Vokabular zu werben. Das Jubiläum bietet die Chance einer doppelten Neuvermessung. Die Ringvorlesung diskutiert erstens »1989« als Teil einer »langen Wende« von der geteilten Welt zum geeinten Europa und zweitens als Referenzpunkt gesellschaftlicher Krisenentwicklungen der Gegenwart. Damit eröffnet die Vortragsreihe neue Perspektiven auf das »Erbe von 1989« und eine Standortbestimmung sowohl der Berliner Republik als auch des heutigen Europas.

Referent

Hannes Grandits | Berlin

Veranstalter
Bundesstiftung Aufarbeitung
Lehrstuhl für Neueste und Zeitgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin
Stiftung Berliner Mauer
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Thema
Ostmitteleuropa